Jemanden zu pflegen, kostet Geduld und Zeit. Nicht wenige Menschen, vor allem Frauen, übernehmen diese Aufgabe zusätzlich zu ihrer Erwerbstätigkeit. Damit pflegende Angehörige sich ihre Zeit etwas besser einteilen können, gibt es einen gesetzlichen Anspruch auf eine Stundenreduzierung oder eine Auszeit vom Job für bis zu zwei Jahre. Danach kehrt man automatisch auf die vorherige Stundenanzahl zurück. Das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz machen dies möglich.
Der im Gesetz festgelegte Begriff des „nahen Angehörigen“ ist weiter gefasst, als man denkt. Dazu zählen der Partner oder die Partnerin (auch wenn man nur zusammenwohnt und nicht verheiratet ist), die Eltern und Schwiegereltern, die Geschwister sowie deren Partner oder Partnerinnen, die eigenen Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder sowie Enkelkinder, Stief- und Großeltern.
Was ist die kurzzeitige Arbeitsverhinderung?
Die wohl wichtigste Möglichkeit ist aber zunächst die kurzzeitige Arbeitsverhinderung: Für bis zu zehn Tage können Sie von einem Tag auf den anderen frei nehmen, wenn plötzlich die Pflege eines nahen Angehörigen organisiert werden muss. Theoretisch reicht ein Anruf als Ankündigung aus, eine E-Mail oder ein Fax ist aber besser, weil es damit einen schriftlichen Nachweis gibt.
Die zehn Tage „Organisationsauszeit“ gelten pro pflegebedürftiger Person. Sie können diese also auch aufteilen, beispielsweise unter Geschwistern oder Ehepartnern. So können etwa Bruder und Schwester – gleichzeitig oder hintereinander – je fünf Tage frei nehmen, um die Pflege für ihre Mutter gemeinsam zu koordinieren.
Arbeitgeber dürfen die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nicht verweigern. So sagt es das Gesetz. Außerdem besteht Kündigungsschutz – und zwar von dem Moment an, in dem eine kurzzeitige Arbeitsverhinderung oder eine Pflegezeit angekündigt wurde, bis zu deren Ende. Stellt ein Arbeitgeber sich dennoch quer oder droht mit einer Kündigung unmittelbar nach einer kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, können Sie sich Unterstützung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht suchen.
Denn die kurzzeitige Arbeitsverhinderung darf nicht untersagt werden. Alle Arbeitnehmer haben ein Recht darauf, sie zu nutzen. Für Beamtinnen und Beamte, Soldatinnen und Soldaten sowie Richterinnen und Richter gelten je nach Bundesland eigene Regeln. Diese müssen aber weitgehend an die Rechte der Arbeitnehmer angepasst sein.

Für alle gilt, dass der oder die Vorgesetzte einen Nachweis verlangen kann, dass tatsächlich ein Angehöriger pflegebedürftig geworden ist oder sich der Zustand so verschlimmert hat, dass nun neue Unterstützung organisiert werden muss. Das kann beispielsweise ein ärztliches Attest sein. Dieses können Sie üblicherweise nachreichen, sobald die Pflege organisiert ist.
Wer zahlt das Gehalt während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung?
Während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung wird das übliche Gehalt weitergezahlt, sofern es eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung gibt. Ansonsten erhalten Sie eine Ersatzzahlung, die bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person beantragt werden muss. Das sollten Sie direkt am ersten Tag der Arbeitsverhinderung tun. Das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld beträgt in der Regel 90 Prozent des entfallenen Nettogehalts. Fragen Sie am besten telefonisch nach dem passenden Formular. Das ist von Kasse zu Kasse leicht verschieden.
Besteht während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung Versicherungsschutz?
Sofern es keine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber oder Dienstherrn gibt, müssen Sie sich während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung selbst in einer Kranken- und Pflegekasse versichern, da Sie ansonsten keinen Versicherungsschutz für diesen Zeitraum haben. Vergleichsweise einfach geht das, wenn der Partner oder die Partnerin gesetzlich versichert ist. Dann kann man sich für die Tage der Auszeit einfach familienversichern. Dafür genügt meist ein Anruf bei der Krankenkasse des Partners oder der Partnerin. Besteht diese Option nicht, muss man sich „freiwillig versichern“. Diese Formulierung ist etwas irreführend, da die freiwillige Versicherung eine Pflicht ist. Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach, welches Formular Sie brauchen.

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Angehörige zu Hause pflegen: Wie helfen Pflegezeit & Co.?
Wer über die kurzzeitige Arbeitsverhinderung hinaus einen Teil der Pflege selbst übernehmen möchte, kann eine der gesetzlichen Pflegezeiten in Anspruch nehmen, um für die Pflege die Stunden der Erwerbsarbeit zu reduzieren oder eine Weile komplett eine Auszeit vom Beruf zu nehmen. Es gibt verschiedene Modelle, die sich miteinander kombinieren lassen: in erster Linie die Pflegezeit und die Familienpflegezeit. Bis zu zwei Jahre Pflegezeiten sind insgesamt möglich. Eine Aufteilung in mehrere Abschnitte ist nicht möglich.
Mutter, Vater, Partnerin oder Partner zu Hause zu versorgen, kann die eigene Gesundheit, aber auch die Finanzen belasten. Denn die Pflege Angehöriger wird weder direkt noch indirekt vergütet. Trotzdem reduzieren viele Angehörige ihre Arbeitszeit, um Pflege und Beruf unter einen Hut bringen zu können. Das kann sich gleich mehrfach negativ auswirken – und trifft einmal mehr besonders Frauen. Einen Überblick zur Situation pflegender Angehöriger und wie sich diese mit einer Erwerbstätigkeit vereinbaren lässt, bietet unser Serviceartikel „Pflege und Beruf: Was pflegende Angehörige wissen sollten“.
Welche Voraussetzungen gelten für Pflegezeit & Co.?
Grundsätzlich müssen die Pflegezeiten zehn Tage bis acht Wochen im Voraus angekündigt und die Details geklärt werden.
Ein Anrecht auf diese Pflegezeiten haben Arbeitnehmer ab einer bestimmten Betriebsgröße. Je nachdem, wie lange Sie in Pflegezeit gehen wollen, müssen noch mindestens 15 oder 25 weitere Kolleginnen und Kollegen angestellt sein. Wer das Recht auf Pflegezeit nicht nutzen kann, etwa weil der Betrieb zu klein ist, kann versuchen, sich mit dem Arbeitgeber individuell auf ein ähnliches Modell zu einigen.
Wie steht es um das Gehalt während Pflegezeit & Co.?
Wie viel Geld Sie während der Pflegezeit von Ihrem Arbeitgeber erhalten, hängt vom Modell ab. Grundsätzlich wird nur die Arbeitszeit bezahlt, die Sie auch geleistet haben. Zumindest während der Familienpflegezeit ist es aber üblich, dass ein Teil des Gehalts im Voraus bezahlt und später entsprechend mehr gearbeitet wird.
Wenn Sie beispielsweise für ein Jahr lang auf eine halbe Stelle reduzieren, also nur noch 20 statt 40 Wochenstunden erwerbstätig sind, bekommen Sie trotzdem drei Viertel einer vollen Stelle bezahlt, also das Geld für 30 Wochenstunden. Im ersten Jahr der Rückkehr auf die volle Stelle erhalten Sie weiterhin Geld für drei Viertel einer vollen Stelle. Sie arbeiten also 40 Wochenstunden und bekommen 30 Wochenstunden bezahlt. Nach einem Jahr haben Sie somit das vorgestreckte Geld wieder abgearbeitet.
Der Arbeitgeber bekommt diesen Vorschuss vom Staat finanziert. So muss der Betrieb selbst nicht in Vorleistung gehen, trotzdem brechen die Einnahmen für Sie als Pflegende zwischendurch nicht so stark ein.
Gibt es weitere Unterstützung während der Pflegezeit?
Dennoch bleibt ein Verdienstausfall. Um diesen abzufedern, ist es während aller Pflegezeiten möglich, ein zinsloses Darlehen vom Staat zu erhalten. Nach Ende der Pflegezeit müssen Sie es in Raten zurückzahlen. In Härtefallen ist es möglich, nur Teile zurückzuzahlen. Weitere Informationen sowie einen Darlehensrechner gibt es auf der Website des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA).
Gibt es während der Pflegezeit Rentenpunkte?
Pflegende Angehörige können Extrapunkte für ihre eigene Rente erhalten. Damit versucht der Staat, zumindest teilweise den Effekt abzumildern, dass Pflegende oft weniger verdienen und somit auch weniger in die Rentenkasse einzahlen. Informieren Sie daher die Pflegekasse der zu pflegenden Person, wenn Sie regelmäßig einen Teil der Pflege übernehmen. Dann erhalten Sie alle notwendigen Unterlagen. Außerdem werden Sie dann bei der Unfallkasse als „ehrenamtliche Pflegekraft“ gemeldet. Das kostet nichts, sichert Sie aber ab, falls Ihnen bei der Pflege etwas passieren sollte.
Die genauen Regelungen zu den einzelnen Pflegezeiten erklärt das Bundesfamilienministerium auf der Webseite Wege-zur-Pflege. Dort finden Sie auch alle nötigen Formulare. Fragen beantwortet auch das Pflegetelefon des Ministeriums unter 030/20 17 91 31.
Gilt die Pflegezeit auch für die Sterbebegleitung?
Manchmal ist es absehbar, dass jemand nur noch wenige Wochen oder Monate zu leben hat. Um in dieser letzten Phase möglichst viel Zeit miteinander verbringen zu können, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bis zu drei Monate lang die Pflegezeit als Sterbebegleitung in Anspruch nehmen. In dieser Zeit müssen sie nicht selbst pflegen und es muss auch kein Pflegegrad vorliegen. Entscheidend ist, dass Sie noch einmal gemeinsame Zeit haben.