Pflegegrad: Wie kommt die Einstufung eigentlich zustande?

Pflegegrad: Wie kommt die Einstufung eigentlich zustande?

Bevor eine pflegebedürftige Person Leistungen von der Pflegeversicherung erhält, braucht sie einen Pflegegrad. Doch nach welchen Kriterien erfolgt die Einstufung, und wie kann ich mich am besten auf die Pflegegrad-Begutachtung vorbereiten? In unserer neuen „Frage an die Pflegeberaterin“ klärt Tina Land von der Pflegeberatung compass auf.

Eine Beraterin erklärt einem Ehepaar, wie die Pflegegrad-Einstufung erfolgt.
compass private pflegeberatung

Mein 82-jähriger Vater ist sehr krank, hat Diabetes und braucht einen Rollator. Trotzdem wurde er bisher nur in Pflegegrad 1 eingestuft. Jetzt haben wir eine höhere Einstufung beantragt, und ich würde gerne wissen, wie die Pflegegrade eigentlich zustande kommen, und wie wir uns am besten auf die Pflegegrad-Begutachtung vorbereiten.

 

Bei der Einstufung in die Pflegegrade 1 bis 5 kommt es tatsächlich nicht in erster Linie darauf an, wie krank jemand ist, sondern wie viel Hilfe die Person konkret benötig. Wer zum Beispiel trotz Krankheiten und Mobilitätseinschränkungen seinen Alltag weitgehend ohne Unterstützung bewältigt, erhält eine entsprechend niedrige Pflegerad-Einstufung. Eine zwar körperlich fit wirkende Person, die aufgrund einer Demenz ständig Hilfe und Anleitung braucht, kann dagegen auch einen höheren Pflegegrad erhalten.

Beim Begutachtungstermin zur Einstufung in einen Pflegegrad wird der aktuelle Hilfebedarf anhand von Modulen ermittelt und mit Punkten bewertet. Aus diesen wird dann nach einem festen Schlüssel der Pflegegrad berechnet. Für eine korrekte Einstufung in einen Pflegegrad ist es sinnvoll, dass Sie die Module kennen und sich gut auf den Termin mit der Gutachterin oder dem Gutachter vorbereiten. Die Begutachtung findet bei gesetzlich Versicherten durch den Medizinischen Dienst und bei privat Versicherten durch Medicproof statt.

Tipp 1: Machen Sie sich mit den 6 Modulen zur Pflegegrad-Einstufung vertraut

Es gibt insgesamt 6 Module, die bei der Einstufung in einen Pflegegrad zugrunde gelegt werden.

Modul 1 – Mobilität

Modul 1 ist die „Mobilität“. Hier werden Sie beispielsweise gefragt, ob die pflegebedürftige Person selbstständig sitzen, gehen oder etwas greifen kann.

Modul 2 – Kognitive und kommunikative Fähigkeiten

Bei Modul 2 werden die „kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten“ geprüft – also ob Ihr pflegebedürftiger Angehöriger vertraute Menschen erkennt, sich zeitlich und örtlich orientieren, Entscheidungen treffen und sich mit anderen verständigen kann.

Modul 3 – Verhaltensweisen und psychische Problemlagen

Modul 3 betrifft „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“. Hier geht es etwa um nächtliche Unruhe, aggressives oder unangemessenes Verhalten, Ängste und Depressionen.

Modul 4 – Selbstversorgung

Beim Modul 4 wird die „Selbstversorgung“ geprüft, also die eigenständige Körperpflege, das selbstständige Essen, Trinken und auf die Toilette gehen.

Modul 5 – Umgang mit krankheitsspezifischen/therapiebedingten Anforderungen

Modul 5 dreht sich um den „Umgang mit krankheitsspezifischen/therapiebedingten Anforderungen“. Kann Ihr pflegebedürftiger Angehöriger selbst seine Medikamente nehmen, Injektionen setzen, den Blutdruck messen, Verbände oder das Stoma versorgen?

Modul 6 – Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Im Modul 6 wird schließlich die „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ betrachtet. Dazu zählen zum Beispiel die Strukturierung des Tagesablaufs, Freizeitbeschäftigungen und die Kontaktpflege zu Freunden und Bekannten.

Weitere Informationen zu den Modulen finden Sie etwa auf dem Infoblatt der compass Pflegeberatung oder auf dem Pflege Service Portal pflegeberatung.de.

Ihre Expertin

Tina Land arbeitet seit 2018 in der Pflegeberatung bei compass. Die gelernte Krankenschwester hat vor ihrer Tätigkeit als Pflegeberaterin 12 Jahre im Krankenhaus in der Inneren Medizin und auf Intensivstationen sowie im Anschluss in der ambulanten und stationären Pflege sowie im Hospiz gearbeitet. Ihre praktischen Pflege-Erfahrungen und ihr Wissen setzt sie nun ein, um mit Ratsuchenden ihren Hilfebedarf im Rahmen der Beratungsgespräche zu ergründen und individuelle Möglichkeiten der Unterstützung für die jeweiligen Pflegesituationen zu finden.

Tipp 2: Holen Sie sich Rat für die Begutachtung zur Einstufung in einen Pflegegrad

Wer einen Pflegegrad beantragt , hat das Recht auf Pflegeberatung. Diese sollten Sie unbedingt nutzen, denn sie kann bei der Vorbereitung des Begutachtungstermins zur Einstufung in einen Pflegegrad wertvolle Hilfe leisten. Pflegeberatung gibt es etwa bei den Pflegestützpunkten, für privat Versicherte ist compass zuständig. Allen Ratsuchenden steht außerdem die kostenlose Service Nummer von compass unter 0800 – 101 88 00 zur Verfügung.

Neben der Beratung ist es sehr wichtig, dass bei der Begutachtung zur Pflegegrad-Einstufung ein Angehöriger und/oder eine Pflegefachkraft anwesend ist. So fühlt sich die pflegebedürftige Person nicht so allein, und eine weitere Person achtet darauf, dass nichts vergessen wird.

Kennen Sie schon unsere kostenlosen Online-Pflegekurse?
ap--grundlagen-kurs
Module: 7
Dauer: 180 Minuten
Grundlagen der häuslichen Pflege
Unser digitaler Grundlagen-Pflegekurs vermittelt Ihnen verständlich und übersichtlich Informationen und Fertigkeiten, die Sie bei der Pflege Ihres Angehörigen direkt anwenden können.

Tipp 3: Nutzen Sie ein Pflegeprotokoll zur Vorbereitung der Begutachtung

Oft können pflegende Angehörige gar nicht auf Anhieb erläutern, wie hoch der Pflegeaufwand ist. Ich rate deshalb dazu, vor dem Begutachtungstermin zur Einstufung in einen Pflegegrad ein Pflegeprotokoll auszufüllen. In diesem wird konkret der Unterstützungsbedarf innerhalb der 6 Module erfragt, die bei der Begutachtung zur Einschätzung Ihres Pflegegrads relevant sind. Sich die ausschlaggebenden Punkte im Vorfeld des Begutachtungstermins zu notieren, hilft Ihnen dann, dass Sie beim Termin nichts vergessen. Einen Vordruck gibt es kostenlos zum Beispiel auf dem Pflege Service Portal pflegeberatung.de.

Tipp 4: Halten Sie wichtige Befunde, Berichte und Ausweise bereit

Um den Pflegebedarf umfassend zu beurteilen, müssen die Begutachtenden auch über alle Gesundheitsaspekte genau informiert werden. Halten Sie deshalb ärztliche Unterlagen wie Befunde, Entlassberichte und Atteste, den Schwerbehindertenausweis, den Medikamentenplan, eine Liste aller benötigten und gewünschten Hilfsmittel, das vorausgefüllte Pflegeprotokoll und – wenn vorhanden – die Pflegedokumentation des Pflegedienstes am Begutachtungstermin bereit.

Hat Ihnen der Beitrag weitergeholfen?
Warum ist dieser Artikel nicht hilfreich?(erforderlich)
Je konkreter Ihre Kritik, desto besser können wir unsere Inhalte für Sie aufbereiten.