Seit ihrer Einführung im Jahr 2009 erfreut sich die Patientenverfügung vielleicht nicht gerade wachsender Beliebtheit – angesichts der Szenarien, für die mit ihrer Hilfe Vorsorge getroffen werden soll, scheint das die falsche Wortwahl –, aber die Zahl der registrierten Patientenverfügungen steigt in Deutschland. Wenig verwunderlich: Gesellschaftlich betrachtet werden wir immer älter, steigt aber gerade in den letzten Lebensjahren der Bedarf an medizinischer und pflegerischer Versorgung. Wobei nicht jede Form von Versorgung, nicht jede Untersuchung oder Therapie automatisch auch im Sinne der Betroffenen ist. Damit wachsen der Wunsch und das Interesse, selbstbestimmt und rechtzeitig festlegen zu können, was später unternommen oder auch besser unterlassen werden soll.
Die Patientenverfügung ist nur die halbe Vorsorge
Mit einer Patientenverfügung können Sie deshalb vorab festhalten, welchen medizinischen oder pflegerischen Maßnahmen Sie zustimmen würden oder auch nicht, sollten Sie einmal nicht mehr in der Lage sein, sich zu äußern. (Wie das genau funktioniert, was Sie beachten und wen Sie informieren sollten, können Sie unserem Servicebeitrag „Die Patientenverfügung: Vorsorge treffen, Klarheit schaffen“ nachlesen.) Doch eine Patientenverfügung ist nur die halbe Vorsorge. Denn sollten Sie – aufgrund von Krankheit oder infolge eines Unfalls – nicht mehr in der Lage sein, Ihren Willen zu äußern oder Entscheidungen zu treffen, sind noch andere Lebensbereiche betroffen.
Wer kümmert sich etwa um Ihre Vermögensangelegenheiten? Wer bezahlt Rechnungen, kontrolliert Ihr Konto, schließt oder kündigt Verträge? Wer entscheidet, ob Sie in einem Pflegeheim untergebracht oder in den eigenen vier Wänden versorgt werden? Wer regelt im Fall eines Umzugs die Weitervermietung oder auch den Verkauf von Wohnung oder Haus? Und wer darf Ihre analoge oder digitale Post lesen, behördliche Anträge für Sie stellen oder Auskünfte erteilen? Und ja, auch darüber sollte sich Gedanken machen, wer bestimmte Wünsche hat: Wer bestimmt nach Ihrem Tod, wie und wo Sie bestattet werden?
Was regelt die Vorsorgevollmacht?
Mit einer Vorsorgevollmacht können Sie vorab festlegen, wer Ihren Willen vertreten soll, wenn Sie selbst das aufgrund von Krankheit, infolge eines Unfalls oder auch altersbedingt nachlassender geistiger Kräfte nicht mehr tun können. Die so von Ihnen „bevollmächtigte“ Person darf dann bestimmte Entscheidungen für Sie treffen. Welche genau, das ist jeweils im Rahmen der Vollmacht festzulegen.
Eine Generalvollmacht etwa deckt buchstäblich alles ab, Sie können eine Vollmacht aber auch auf einen bestimmten Bereich beschränken oder mehrere Menschen bevollmächtigen. Etwa wenn Sie möchten, dass eine bestimmte Person sich um Ihre Vermögensangelegenheiten kümmert, also das Konto führt, Rechnungen bezahlt, das Haus verkauft, eine andere hingegen medizinische Entscheidungen für Sie treffen soll.
Aber: Mit der Vorsorgevollmacht regeln Sie nur, wer etwa über gesundheitliche Belange entscheiden darf. Sie legen damit nicht fest, wie diese Person zu entscheiden hat, also etwa welchen Behandlungen sie zustimmen soll oder nicht. Dafür braucht es dann wiederum die Patientenverfügung. Sonst überlassen Sie jemanden die Entscheidung, ohne ihn klar und verbindlich zu instruieren, was Sie gewollt hätten.
Und: Ehe- oder Lebenspartner sind nicht automatisch berechtigt, Entscheidungen für ihre Partner oder Partnerin zu treffen, wenn diese nicht mehr dazu in der Lage sind. Dasselbe gilt für Kinder. Eine Ausnahme ist das sogenannte Notvertretungsrecht, das aber auch nur für gesundheitliche Belange und nur für die maximale Dauer von sechs Monaten gilt.
Wenn Sie sich unsicher sind, wem Sie eine Vorsorgevollmacht geben sollen, kann Ihnen die Entscheidungshilfe in unserem kostenfreien Online-Pflegekurs „Rechtliche Vorsorge“ von Nutzen sein.
Seit dem 1. Januar 2023 gilt das sogenannte Notvertretungsrecht für Ehe- und Lebenspartner. Damit dürfen diese in medizinischen Notfällen Entscheidungen treffen, auch wenn weder Patientenverfügung noch Vorsorgevollmacht vorliegen. Allerdings gilt dieses Notvertretungsrecht maximal für die Dauer von sechs Monaten. Anschließend muss ein Betreuungsgericht einen gesetzlichen Betreuer bestellen, der im Sinne des oder der Betroffenen Entscheidungen treffen darf. Dies sind häufig die nächsten oder nahen Verwandten, aber eben nicht automatisch.
Was lässt sich nicht mit einer Vorsorgevollmacht regeln?
Wie bereits erwähnt, regelt die Vorsorgevollmacht lediglich, ob jemand eine Entscheidung für Sie treffen darf. Sie bindet ihn nicht automatisch daran, auf eine bestimmte Art zu entscheiden, also für oder gegen etwas. Dies müssten Sie wiederum gesondert regeln.
Einige Entscheidungen und Belange lassen sich auch grundsätzlich nicht per Vorsorgevollmacht auf einen anderen Menschen übertragen. Dazu zählen etwa Testament oder Heirat, beides können Sie nur selbst und in vollem Besitz Ihrer geistigen Kräfte entscheiden.
Auch über freiheitsentziehende Maßnahmen, beispielsweise die Unterbringung in einer geschlossenen medizinischen Einrichtung, über besonders risikoreiche medizinische Eingriffe oder den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen darf ein Bevollmächtigter selbst mit einer Generalvollmacht nicht entscheiden. Hier ist eine Genehmigung des Betreuungsgerichts notwendig.
Welche Voraussetzungen gelten für eine Vorsorgevollmacht?
Wenn Sie eine Vorsorgevollmacht erteilen möchten, müssen Sie zum Zeitpunkt des Verfassens zum einen volljährig und zum anderen voll geschäftsfähig sein. Letzteres gilt auch, wenn Sie eine bereits erteilte Vollmacht widerrufen möchten. Im Zweifel, wenn etwa bereits eine Demenz diagnostiziert oder andere geistige Einschränkungen vorliegen, kann die Geschäftsfähigkeit von einem Gutachter überprüft und gegebenenfalls festgestellt werden.
Welche Form muss eine Vorsorgevollmacht haben?
Formal muss die Vorsorgevollmacht schriftlich verfasst sein, Ihren Namen, Ihr Geburtsdatum und Ihre Anschrift enthalten sowie unterzeichnet und mit Ort und Datum der Unterzeichnung versehen sein.
Eine Beglaubigung der Vorsorgevollmacht ist nicht zwingend vorgeschrieben, erhöht aber die rechtliche Akzeptanz. Öffentliche Beglaubigungen erhalten Sie etwa von Betreuungsbehörden, noch besser, wenn auch teurer, sind notarielle Beglaubigungen, die auch über den Tod hinaus Bestand haben, was etwa wichtig werden kann, wenn Immobilien verkauft werden sollen.
Notwendig werden notarielle Beglaubigungen oder Beurkundungen zudem dann, wenn die bevollmächtigte Person in Ihrem Namen zum Beispiel Immobilien verkaufen oder gewerbliche Tätigkeiten übernehmen soll.
Banken bestehen im Übrigen häufig auf eine besondere Bankvollmacht. Im Idealfall erkundigen Sie sich vorab bei Ihrer Bank, welche Formulare oder Ausfertigungen dort benötigt werden und ob es etwa Besonderheiten für das Online-Banking gibt.
Wo gibt es Vordrucke oder Ausfüllhilfen für die Vorsorgevollmacht?
Eine Vorsorgevollmacht muss nicht in einer bestimmten Form verfasst sein, aber da es sich um eine sehr weitreichende Übertragung von Rechten an eine andere Person handelt, sollte sie klar, eindeutig und idealerweise rechtssicher sein. Deshalb sollten Sie sich entweder seriöser Vordrucke oder Ausfüllhilfen bedienen oder – zumal, wenn Sie komplexere finanzielle oder geschäftliche Angelegenheiten zu regeln haben – einen Anwalt oder Notar zurate ziehen.
Eine sehr benutzerfreundliche, weil übersichtliche und einfach auszufüllende Vorlage stellt das Bundesjustizministerium zur Verfügung – zusammen mit einer Reihe weiterer Formulare, etwa zur Eintragung oder Ergänzung einer Vorsorgevollmacht. Zudem liegen sämtliche Formulare nicht nur in Deutsch, sondern noch in sieben weiteren Sprachen bereit.
Eine gute Alternative bietet die Verbraucherzentrale, auf deren Webseite man sich durch einen mit vielen Informationen und Rückfragen gespickten Erstellprozess führen lassen kann, an dessen Ende die individuelle Vorsorgevollmacht stehen kann oder auch die Erkenntnis, dass man weitere Beratung benötigt.
Auch unser Online-Pflegekurs zur rechtlichen Vorsorge kann Sie dabei unterstützen, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Darin finden Sie eine Ausfüllhilfe zu allen Bestandteilen einer Vollmacht.
Wo und wie sollte die Vorsorgevollmacht aufbewahrt werden?
Zwar ist es verständlich, Unterlagen mit solcher Tragweite wie eine Vorsorgevollmacht sicher aufbewahren zu wollen – kann sie im Ernstfall aber niemand finden, war alle Mühe vergebens. Bevollmächtigte müssen zudem ein Original vorlegen können. Händigen Sie deshalb ein unterschriebenes Original direkt an den oder die Bevollmächtigte aus oder verwahren Sie die Unterlagen so auf, dass die entsprechenden Personen im Notfall Zugang zu diesen haben.
Eine weitere Möglichkeit sind die sogenannten Vorsorge- oder Notfallkärtchen, die Sie jederzeit in der Tasche oder im Portemonnaie mit sich tragen können, sodass die Information über das Vorliegen von Verfügungen sowie die zu informierenden Personen leicht auffindbar sind.

Notfallkarte fürs Portemonnaie
Tragen Sie wichtige Informationen, etwa welche Vorsorgedokumente vorliegen und wer zu informieren ist, immer bei sich - mit unserer taschengerechten Notfallkarte.
Zudem können Sie die Vorsorgevollmacht im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer eintragen lassen. Dort können medizinische Einrichtungen beispielsweise bei Aufnahme einer nicht ansprechbaren oder einwilligungsfähigen Person abfragen, ob eine Patientenverfügung oder Vorsorgevollmacht vorliegt.
Offiziell registrierte Vorsorgevollmachten

Ab wann und wie lange gilt eine Vorsorgevollmacht?
Sie können selbst entscheiden, ab wann die Vorsorgevollmacht gelten soll, also etwa direkt mit Unterzeichnung oder auch erst, wenn eine Geschäftsunfähigkeit festgestellt wurde. Ebenso können Sie festlegen, dass die Vorsorgevollmacht über den Tod hinaus gelten soll, sodass der oder die Bevollmächtigte sich auch nach Ihrem Tod weiter um die entsprechenden Belange kümmern kann. Halten Sie dies aber nicht ausdrücklich fest, erlischt die Vollmacht mit Ihrem Tod.
Wie sinnvoll ist eine Beratung zur Vorsorgevollmacht?
Mit einer Vorsorgevollmacht räumt man einem anderen Menschen großen Entscheidungsspielraum und letztlich viel Macht über das eigene Leben ein. Deshalb sollte die Entscheidung, wem eine Vorsorgevollmacht übertragen wird und für welche Bereiche, immer gut und gründlich durchdacht werden. Letztlich besteht leider immer das Risiko, dass die eingeräumten Befugnisse ausgenutzt werden, etwa um sich persönlich zu bereichern. Anders als bei einer durch das Gericht erteilten Betreuungsverfügung erfolgt bei einer Vorsorgevollmacht keine automatische Kontrolle, ob diese tatsächlich im beabsichtigten Sinne angewendet wird.
Schon deshalb sollten Sie sich vorab intensiv mit der Thematik beschäftigen und sich im Idealfall ausführlich beraten lassen. Anlaufstellen sind neben Verbraucherzentralen und Sozialverbänden insbesondere die Betreuungsbehörden als staatliche Einrichtungen in Städten oder Kommunen. Zudem gibt es spezielle eingetragene Betreuungsvereine, die Angehörige oder Betroffene beraten. Und natürlich beraten Anwälte und Notare – allerdings gegen Honorar.
Letzteres empfiehlt sich jedoch insbesondere dann, wenn Sie Immobilien oder ein größeres Vermögen besitzen.