Wundversorgung in der häuslichen Pflege: Hauptsache steril!
Häufige Wunden in der häuslichen Pflege
Bei der Versorgung von älteren oder pflegebedürftigen Menschen zu Hause treten nach Erfahrung des Wundexperten Gerhard Schröder häufiger chronische Wunden auf, weil diese mit dem höheren Alter und der Erkrankung einhergehen. Bei jüngeren Menschen treten chronische Wunden seltener auf.
Akute Wunden wie etwa Kratzwunden oder Verbrühungen durch Kaffee oder Tee können auch vorkommen.
Zu den häufigsten chronischen Wunden gehört etwa bei Diabetes das diabetische Fußsyndrom.
Auch das offene Bein gehört laut Berichten von Pflegediensten zu den häufig auftretenden Wunden ebenso wie Dekubitalgeschwüre, die vor allem bei pflegebedürftigen Menschen auftreten. Tumorwunden hätten in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen, sagt Schröder.
Wunden selbst versorgen oder Arzt hinzuziehen?
„Basics wie Sterilität sind wichtig, ebenso wie zu wissen, worauf man achten muss, um dem Arzt Auskunft geben zu können, ob die Wunde schlechter wird“, sagt der Wundexperte. Er rät, am Anfang immer einen Arzt oder einen anderen Fachmann zu konsultieren, um zu wissen, was genau es im Einzelfall zu beachten gilt. Dann könne man entscheiden, ob man sich die weitere Versorgung der Wunde selbst zutraut.
Zudem hängt es von der eigenen Kompetenz und Erfahrung ab, ob ein pflegender Angehöriger die Wunde selbst versorgen kann. Wichtig sei zu hinterfragen, was man sich selbst zutraut und wo man Hilfe oder eine Anleitung benötigt.
Die Versorgung von Wunden bei Angehörigen kann schwierig und belastend sein, weswegen man sich bei Zweifeln immer Hilfe holen sollte. Dafür seien die Pflegedienste da: um zu unterstützen, sagt Schröder.
Erstversorgung einer Wunde
Eine Wunde sollte zunächst mit einer sterilen Lösung gereinigt und desinfiziert werden. Anschließend sollte sie steril abgedeckt werden. Um zu vermeiden, dass die abdeckenden Materialien mit der Wunde verkleben, gibt es Wunddistanzgitter. Diese werden auf die Wunde gelegt und verhindern, dass der Verband oder die Kompressen an ihr kleben bleiben. Es ist sehr wichtig, dass alle Materialien dabei steril sind.
Der Verband sollte im weiteren Verlauf so oft gewechselt werden, wie es die Exsudation (austretende Wundflüssigkeit, mittels der sich die Wunde reinigt) der Wunde erfordert. In der Regel muss ein Verband maximal einmal täglich gewechselt werden, sehr häufig wechselt man den Verband nur alle zwei bis drei Tage.
Wenn ein häufigerer Verbandswechsel nötig ist, kann es ein Hinweis darauf sein, dass noch nicht die richtigen Verbandsmaterialien für diese Wunde verwendet werden. Wenn eine Wunde stärker nässt, dann ist vermutlich eine dickere, stärker absorbierende Wundauflage notwendig.
In der späten Phase der Wundheilung, also dann, wenn sich die Hautschicht wieder bildet, rät der Experte dazu, den Verband so wenig wie möglich zu wechseln, da jeder Verbandswechsel die Wunde schädigen könnte. Der Verband kann dann drei bis vier Tage bleiben. Ist eine Wunde hingegen entzündet und weist rote Wundränder auf, sollte sie täglich kontrolliert werden, um zu prüfen, ob sich die Infektion weiter ausbreitet.
Bei der Versorgung von Wunden in der häuslichen Pflege ist es vor allem wichtig darauf zu achten, dass steril gearbeitet wird, um eine Infektion der Wunde zu vermeiden. „Angehörige sollten dabei auch noch einmal hinterfragen, was steril eigentlich bedeutet“, sagt Schröder.
Das finge bei banalen Dingen an, wie etwa wenn Kompressen auf den Boden fielen und dann trotzdem verwendet würden, weil sie nicht schmutzig seien, bis hin zum Berühren der Wunde ohne Handschuhe. Hygiene und Sterilität der Wunde sind laut dem Wundexperten entscheidend.
Zudem sollten Wunden nicht über eine längere Zeit bagatellisiert werden. Das passiert beispielsweise häufig dann, wenn Patienten keine Schmerzen haben. Dabei kann die Wunde schwerwiegend sein und der Betroffene merkt es aufgrund anderer Faktoren selbst nicht. Besteht eine Wunde länger als zwei Wochen, sollte in jedem Fall ein Arzt hinzugezogen werden.
Die richtige Wundversorgung ist wichtig
Eine unzureichend versorgte Wunde kann deutlich die Lebensqualität der oder des Betroffenen verschlechtern. Hat eine Patientin oder ein Patient beispielsweise ein offenes Bein und die Wunde wird nicht richtig versorgt, kann es häufiger passieren, dass Exsudat aus der Wunde läuft, welches nicht nur unangenehm riecht, sondern auch dazu führt, dass der Verband häufiger gewechselt werden muss.
Ist die Wunde hingegen gut versorgt, reicht es aus, den Verband nur einmal am Tag zu wechseln. Zudem wird die Kleidung nicht beschmutzt und die Betroffenen müssen keine Angst haben, dass der Verband abfällt.
Zum anderen lassen sich durch eine gute Wundversorgung zusätzliche Komplikationen und Gefahren vermeiden. Werde eine Wunde beispielsweise nicht steril versorgt, könne sie sich infizieren, was in der Regel sehr schmerzhaft ist und den Heilungsprozess enorm verzögert, erklärt Schröder. Im schlimmsten Fall kann eine Wundinfektion eine Sepsis zur Folge haben, die für Betroffene lebensgefährlich werden kann.
Wundversorgungsmaterialien und Hilfsmittel in der Hausapotheke
Für eine Erstversorgung von Wunden reicht in der Regel die normale Hausapotheke aus. Es ist sinnvoll, ein klares Wunddesinfektionsmittel vorrätig zu haben. Dieses lässt sich auch für akute Wunden wie kleinere Verletzungen einsetzen.
Zudem hält sich das Mittel meist mehrere Jahre und kann somit lange verwendet werden. Auch Handschuhe sollte man am besten immer vorrätig haben, ebenso wie sterile Kompressen, um Wunden im Notfall zumindest abdecken zu können.
Hilfsmittel für chronische Wunden hingegen sind laut dem Experten sehr spezifisch und oft teuer, weswegen man diese nicht bereits im Voraus vorrätig haben muss.
Unterschied von akuten und chronischen Wunden
Akute Wunden entstehen plötzlich wie Schnittwunden, Verbrennungen und Platzwunden. Solche Wunden haben keine andere Ursache als die unmittelbare Verletzung. In solchen Fällen empfiehlt der Wundexperte, den Tetanusschutz zu prüfen. Größere Wunden sollten vom Arzt kontrolliert werden. Dieser entscheidet, ob die Wunde eventuell genäht werden muss.
In der Regel sollte eine solche Wunde innerhalb von 14 Tagen verheilen. Passiert dies nicht, spricht man von einer sekundär heilenden Wunde, was bedeutet, dass sie über Umwege heilt. „Bei den sekundär heilenden Wunden sollte man immer einen Arzt hinzuziehen“, sagt der Wundexperte, da es unterschiedliche Gründe haben kann, warum die Wunde nicht heilt. Das kann ein Fremdkörper in der Wunde sein, der unbemerkt geblieben ist, aber auch Störungen, die vom Körper ausgehen, wie Diabetes oder die Einnahme von Cortison.
Chronische Wunden hingegen haben meist eine eigene Ursache, es liegt also eine Grunderkrankung vor. Ein offenes Bein entsteht etwa, wenn eine Venenschwäche, also Krampfadern, vorliegen. Diesen Wunden lässt sich vorbeugen, wenn die Grunderkrankung vorher bekannt ist.
Bei chronischen Wunden sollte immer der Therapeut hinzugezogen werden, da die Grunderkrankung diagnostiziert und behandelt werden muss. „Die lokale Wundbehandlung nützt nur wenig. Es muss immer die Grundkrankheit mitbehandelt werden“, sagt auch Schröder.
„Wenn Sie beispielsweise Krampfadern haben und Sie kleben ein Pflaster auf die Wunde, dann wird es in der Regel so nicht heilen können. Sondern Sie müssen, weil Sie eine Stauung im Bein haben, immer einen Kompressionsverband bekommen. Ohne den wird die Wunde nicht besser werden“, sagt er.
Zuvor müsse aber geprüft werden, dass die Durchblutung vorhanden ist. Nach der Diagnose muss der Arzt entscheiden, welche Kompressionsart für diesen Patienten am besten ist. Auch Dekubitus und Geschwüre wie Fußulcera gehören zu den chronischen Wunden.
Wundheilung unterstützen
Der Experte empfiehlt, ursachenorientiert zu arbeiten. Das Leitziel sollte immer sein, die Ursache der Wunde zu behandeln und zu eliminieren. Sollte eine Wunde nicht heilen, sollte ein Arzt hinzugezogen werden, der die Grunderkrankung diagnostizieren und behandeln kann. Schröder rät dringend davon ab, selbst zu experimentieren.
Es kann sein, dass Medikamente eine Auswirkung auf die Wundheilung haben, wie beispielsweise Cortison. Da man die meisten Medikamente nicht ohne Weiteres einfach absetzen kann, sollte man mit dem Arzt sprechen. Auch Stress und psychische Probleme können sich negativ auf die Wundheilung auswirken.
Als Begleittherapie sei es zudem ratsam, die Schmerzen zu lindern. „Wunden die schmerzen, heilen immer schlechter“, sagt Schröder. Patienten müssen den Schmerz nicht aushalten. Ernährung kann ebenfalls Einfluss auf die Wundheilung nehmen. Es ist daher wichtig, den Patienten im Ganzen zu betrachten und alle Grunderkrankungen zu berücksichtigen, die Einfluss auf die Entstehung und den Heilungsprozess von Wunden nehmen.
Salben gehören nicht auf offene Wunden
Salben wie beispielsweise die Wund- und Heilsalbe, gehören nicht auf eine Wunde. Es besteht die Gefahr, dass die Wundfläche durch die Salbe matschig wird und dass diese dadurch kontaminiert, also mit Bakterien belastet wird. Wund- und Heilsalben sind nicht für offene Wunden gedacht, sondern für wunde Haut.
Auch austrocknende Tinkturen sollten vermieden werden. Trockene Wunden schmerzen mehr und heilen schlechter. Eine Wunde heilt besser, wenn sie leicht feucht gehalten wird. Das fördert laut Schröder die Granulation und somit die Wundheilung. Deswegen sei laut dem Wundexperten die Annahme, dass „mal Luft und Sonne an die Wunde soll“, falsch. Ist die Wunde an der Luft, dann trocknet sie aus und heilt nicht mehr. Deswegen ist es immer ungünstig, eine Wunde ohne Verband zu lassen. Ein klitschnasser Verband ist auf der anderen Seite allerdings auch nicht gut.
Zur Person
Gerhard Schröder ist Direktor der Akademie für Wundversorgung in Göttingen und Mitglied im Beirat der Initiative Chronische Wunden e. V. (ICW) sowie in den DNQP-Expertenarbeitsgruppen „Pflege von Menschen mit chronischen Wunden“ und „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“.
Drei Fragen an einen Wundexperten
Was ist ein Wundexperte?
„Wundexperte ist ein allgemeiner Begriff. Das können verschiedene Berufsgruppen sein, wie etwa jemand aus der Pflege oder ein Arzt, die sich spezialisiert haben in einer Weiterbildung zu chronischen Wunden. Darin lernen sie, wie man die drei häufigsten chronischen Wunden nach aktuellem Stand vermeidet und behandelt.
Wundexperten können chronische Wunden erkennen, beschreiben, den Verlauf beurteilen und Empfehlungen geben, wie solche Wunden am besten versorgt werden sollen. Wundexperten sind in der Regel nicht die Behandler. Sie treten eher als Berater auf und geben Empfehlungen. Die Behandlung selbst übernimmt aber immer ein Arzt.
Wichtig ist, dass Wundexperten nicht die Auswahl und Bestellung von Produkten vornehmen, sondern den Menschen im Ganzen beraten und unabhängig von Produkten versorgen.“
Wie findet man einen Wundexperten?
„In der Regel sollten Betroffene und Angehörige über den Hausarzt gehen. Dabei hängt es aber manchmal auch davon ab, welche Erfahrungen der Arzt bisher mit Wundexperten gemacht hat. Es gibt Wundmanager, die von Firmen kommen und eigentlich nur etwas verkaufen wollen. Dann kann es sein, dass der Arzt sagt, den Wundexperten bräuchte es nicht, eben weil er schlechte Erfahrungen bisher gemacht hat.
Wenn man bereits einen Pflegedienst hat, der einen selbst oder den Angehörigen versorgt, dann kann man auch den Pflegedienst ansprechen. Meistens gibt es bei den Pflegediensten eine Kollegin, die Wundexpertin ist und vorbeikommen kann, um sich die Wunde anzusehen.“
Warum kennen sich Hausärzte nicht immer mit Wunden aus?
„Bei vielen Hausärzten liegt das Studium eine Weile zurück und das Thema Wunden wird im Medizinstudium nicht sehr ausführlich behandelt. Wundexperten hingegen bilden sich speziell in dem Bereich fort und kennen auch den aktuellen Wissensstand und die aktuellen Richtlinien zur Wundversorgung.“