Personalmangel: Ambulante Dienste müssen Pflegebedürftige ablehnen
Das pflegerische Versorgungsangebot reduziert sich trotz steigender Nachfrage massiv. Das offenbaren neue Umfrageergebnisse von Diakonie Deutschland und Deutschem Evangelischen Verband für Altenarbeit und Pflege (DEVAP) unter mehr als 600 Pflegeeinrichtungen und ambulanten Dienste in Deutschland, die am Dienstag veröffentlicht wurden.
Eingeschränktes Leistungsangebot, weil Pflegepersonal fehlt
Demnach mussten mehr als zwei Drittel der Pflegeinrichtungen und ambulanten Dienste in der Diakonie (76 Prozent) in den vergangenen sechs Monaten Leistungen aufgrund von Personalmangel sowie wegen kurz- und langfristigen Erkrankungen von Mitarbeitenden einschränken. Während in der stationären Pflege 72 Prozent der Träger Leistungen nicht erbringen konnten, gestalte sich die Versorgungssituation in der ambulanten Pflege sogar noch prekärer: 89 Prozent der Dienste mussten in den vergangenen sechs Monaten Neukunden ablehnen und 29 Prozent konnten im selben Zeitraum Leistungen von Bestandskunden nicht aufstocken. Als Hauptgrund zeigt sich fehlendes Pflegepersonal.
Hoher Anteil arbeitet in Teilzeit
Das Statistische Bundesamt (destatis) weist in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Merkmal hin, dass vor allem die ambulante Pflege kennzeichnet: Zwar sei die Zahl der Beschäftigten in Pflegeeinrichtungen über die Jahre gestiegen, allerdings arbeiteten viele von ihnen in Teilzeit.
Bei den ambulanten Diensten lag die Teilzeitquote in den Jahren 2001 bis 2021 relativ stabil zwischen 65,0 Prozent (im Jahr 2001) und 70,9 Prozent (im Jahr 2007). Im Jahr 2021 waren es 68,1 Prozent, die in Teilzeit arbeiteten, heißt es in einer Mitteilung des Statistischen Bundesamtes. Im Vergleich zu anderen abhängig Beschäftigten sei die Teilzeitquote im Pflegebereich damit überdurchschnittlich hoch: Über alle Wirtschaftszweige hinweg arbeiteten nach Ergebnissen des Mikrozensus im Jahr 2021 nur 30 Prozent der abhängig Beschäftigten in Teilzeit. Bei Frauen betrug die Teilzeitquote 49 Prozent, bei Männern 12 Prozent.
Pflegegipfel gefordert
Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, mahnte:
„Wir sind bereits mitten in einer akuten Pflegekrise. Nötig ist ein radikales Umdenken in der Politik, wenn wir die Pflege vor dem Kollaps bewahren wollen.“
Die Pläne des Bundesgesundheitsministers für eine „kleine Pflegereform“ enthielten zwar sinnvolle Bausteine, sagte DEVAP-Vorsitzender Wilfried Wesemann. Allerdings stünden diese auf einem sehr brüchigen finanziellen Fundament. Die vorgesehene Erhöhung des Beitragssatzes auf 3,4 Prozent reiche bei Weitem nicht aus, um die notwendige Versorgung der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland hinreichend zu sichern.
Dringend erforderlich sei ein Pflegegipfel, auf dem ein Masterplan für die Zukunft der Pflege zu entwickeln sei, forderten Diakonie und DEVAP.
Der DEVAP befragte insgesamt 655 Pflegeeinrichtungen und Dienste der Diakonie in einer Ad-hoc-Umfrage vom 29. März bis 24. April 2023 zu ihrer aktuellen Situation, davon 64 Prozent aus der stationären Langzeitpflege, 30 Prozent ambulante Pflege, vier Prozent Tagespflege sowie jeweils ein Prozent Pflegeschulen und Hospize. Die Teilnehmenden kamen vorwiegend aus Nordrhein-Westfalen (30 Prozent), Niedersachsen (24 Prozent) und Hamburg (acht Prozent).



