Besuchsbeschränkungen in Pflegeeinrichtungen, das Gebot Abstand zu halten, Maskenpflicht bei Besuchen und die Isolation von Pflegebedürftigen im Falle einer Covid-Infektion erschwerten die Begleitung sterbender Menschen während der Corona-Pandemie. Die Sorge, ihre nahestehenden Menschen mit Covid anzustecken, war eine zusätzliche Belastung für pflegende Angehörige. Die pandemiebedingten Beschränkungen haben nicht nur die Begleitung am Lebensende beeinflusst, sondern auch die Beisetzungen von Verstorbenen sowie die Trauer von Angehörigen. Es war Angehörigen beispielsweise nicht möglich, sich von Verstorbenen zu verabschieden, und Beerdigungen konnten häufig nicht wie gewünscht stattfinden.
Auswirkungen bislang wenig untersucht
Bisher wurde wenig wissenschaftlich untersucht, ob und welche Spät- und Langzeitfolgen für Angehörige entstanden sind, gerade in Bezug auf die Verarbeitung des Verlustes.
Internationale Studien zeigen jedoch, dass Einschränkungen in der Begleitung am Lebensende und bei der Beisetzung den Trauerprozess erschweren können. Wenn es keine oder nur wenige Möglichkeiten gibt, sich von einem nahestehenden Menschen zu verabschieden, fällt es schwerer, den Tod zu realisieren und den Verlust zu verarbeiten.
Wenn eine Ihnen nahestehende Person verstorben ist und Sie sich Unterstützung in Ihrer Trauer wünschen, können Sie kostenlos Hilfe erhalten. Viele Hospize und ambulante Palliativdienste bieten Trauerbegleitung an, bei der Sie sich in Einzelgesprächen oder im Austausch mit anderen Betroffenen über das Erlebte und Ihre Sorgen austauschen können.
Weitere Informationen: https://pallpan.de/abschied-und-trauer/
Die Telefonseelsorge ist kostenlos und rund um die Uhr erreichbar: (0800) 1 11 01 11 oder (0800) 1 11 02 22.
Besuchsbeschränkungen führten in einigen Fällen dazu, dass Menschen in Isolation und ohne ihre Angehörigen verstarben und kein persönliches Abschiednehmen möglich war. Dies war für Angehörige mit zusätzlichem Stress verbunden. Wenn Besuche bei Sterbenden möglich waren, durfte oft nur eine Person zum Sterbenden, so dass die gegenseitige emotionale Unterstützung unter Angehörigen bei der Versorgung der Sterbenden vor Ort ausblieb. Trauerfeiern fanden oft nur im kleinsten Kreis statt.
Wenn der Trauerprozess etwa dadurch gestört wird, dass Angehörige bei der Beerdigung eines geliebten Menschen nicht dabei sein können und die Verarbeitung des Verlustes nicht gelingt, kann es, so eine These aus der Forschung, zu einer komplizierten Trauerreaktion kommen. Diese kann sich in psychischen Symptomen wie Angst, sozialem Rückzug sowie starken und anhaltenden Schuldgefühlen äußern. Auch Depressionen können auftreten.
Besonders wenig ist darüber bekannt, wie sich ein Versterben während der Pandemie auf das Trauererleben von Angehörigen von Menschen mit Migrationshintergrund ausgewirkt hat. Sie sind im Kontext schwerer Erkrankungen besonders von sprachlichen Herausforderungen, Stigmatisierung und fehlenden Unterstützungsmöglichkeiten betroffen. Pandemiebedingte Belastungen könnten diese Faktoren noch weiter verstärkt haben.
Neues Forschungsprojekt
Ein gemeinsames Forschungsprojekt der Klinik für Palliativmedizin der Universitätsmedizin Göttingen und des Instituts für Allgemeinmedizin und Palliativmedizin der Medizinischen Hochschule Hannover soll dazu Erkenntnisse liefern. Der Titel des Projekts, für das noch Teilnehmende gesucht werden, lautet „Versorgung am Lebensende in der Pandemie: Erleben von An- und Zugehörigen und deren psychische Belastung mit Fokus auf Migrationshintergrund (EMBRACE-ME)“.
Gefördert wird das Projekt, das von Januar 2024 bis einschließlich August 2025 läuft, durch das COVID-19 Forschungsnetzwerk Niedersachsen (COFONI). Das Forschungsprojekt richtet sich explizit an An- und Zugehörige von in der Pandemie an (chronischen) Erkrankungen verstorbenen Menschen. Mit dem Projekt wird das Ziel verfolgt, von An- und Zugehörigen zu erfahren, wie sie die letzte Lebensphase eines nahestehenden Menschen unter Pandemiebedingungen erlebt haben und wie sich diese Erfahrungen auf ihren Trauerprozess auswirkten. Außerdem soll untersucht werden, ob es hierin Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund gibt.
Haben Sie eine Angehörige oder einen Angehörigen während der Corona-Pandemie (März 2020 – Januar 2023) verloren? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit den Forschenden und erzählen Sie, wie Sie die Situation erlebt haben. Ihre Erlebnisse sind wichtig, um mehr über die Begleitung von sterbenden Menschen während der Pandemie und die Belastung von Angehörigen zu erfahren. Die Ergebnisse der Studie werden den Angehörigen, die an der Befragung teilnehmen und die dies wünschen, in Workshops vorgestellt und gemeinsam diskutiert. Das Projektteam entwickelt anschließend Empfehlungen, damit in Zukunft mit ähnlichen, gesellschaftlich herausfordernden Problemen, wie beispielsweise der Begleitung Sterbender während einer Pandemie, besser umgegangen werden kann.
Die Befragung besteht aus einem etwa einstündigen Interview und einem kurzen Fragebogen. Es stehen auch Dolmetschende bei Sprachproblemen zur Verfügung.
Kontakt für Teilnahmeinteressierte:
Danica Hüttenrauch, Tel. (0551) 3 96 05 54, Mail: danica.huettenrauch@med.uni-goettingen.de
Maria Bonin, Tel. (0511) 5 32 80 91, Mail: bonin.maria@mh-hannover.de
Autor*innen:
Maria Bonin, Danica Hüttenrauch, Franziska A. Herbst, Maximiliane Jansky, Stephanie Stiel, Christian Banse
 
				