Mobil und unabhängig im Alter: Auf drei Rädern durch das Dorf
Unser Vater ist inmitten des Zweiten Weltkriegs geboren, aufgewachsen in Klein Varlingen, einem kleinen Dorf bei Nienburg, zusammen mit elf Geschwistern und unserer Großmutter Helene. Sein Leben war nicht einfach. Sein Vater (unser Großvater) ist im Krieg verschollen.
Die Kinder mussten sich um sich selbst kümmern und taten dies auch: sechs Brüder, sechs Schwestern – es ging hoch her! Gereist wurde nicht. In den Sommerferien ging es zur Verwandtschaft. Geld war keines da. Aber sich die Welt mit dem Fahrrad zu erschließen, das konnte unser Vater – mit Hingabe. Das war sein Ding, schon immer!
Zeit für Veränderung?
Veränderungen finden oft im Prozess statt. Zuerst werden sie gar nicht bemerkt – und plötzlich sind sie da. Dann wundert man sich, dass sie einem vorher nicht aufgefallen waren. Im letzten Jahr veränderte sich nun für uns etwas. Als Töchter stellten wir fest, dass unser Vater unserer Meinung nach nicht mehr sicher auf seinem Fahrrad unterwegs war.
Den kleinen Berg zurück nach Hause zu erklimmen, war ihm nur noch schiebend möglich. Wir sorgten uns, dass Fahrradfahren zu anstrengend für ihn geworden war und auch, dass er mit dem Fahrrad stürzen und sich all seine Knochen brechen könnte. Auch unsere Mutter war beunruhigt. Unser Vater tat unsere Bedenken ab – er könne Fahrradfahren –, wir sollten uns keine Gedanken machen.
Was ist nun in solch einer Situation das Richtige? Ein Elektrofahrrad, ein E-Bike, für unseren Vater war unsere erste Idee. Doch ist ein E-Bike eine gute Lösung? Elektrofahrräder oder Pedelecs werden zwar immer beliebter. Aber Menschen, die mit einem E-Bike verunglücken, verletzen sich meist viel schwerer, weil etwa die Geschwindigkeit unterschätzt wird oder die Übung fehlt.
Obwohl man Fahrradfahren wohl nicht verlernen kann, ist es dennoch Übungssache! Hinzu kommt, das Risiko eines tödlichen Unfalls ist bei einem Pedelec dreimal so hoch wie bei einem althergebrachten Fahrrad. Mit einem E-Bike zu stürzen, ist also noch gefährlicher.
Das Für und Wider genau abwägen
Schließlich hatten wir eine andere Idee: Ein Dreirad muss her – so die Theorie! Allerdings hatten wir Bedenken, dass unser Vater unseren Einfall nicht gut finden und meinen könnte, ein Dreirad sei etwas für Kinder. Per Zufall sahen wir kurze Zeit später in einem Fahrradladen ein gebrauchtes Dreirad für Erwachsene.
Fast hätten wir es gekauft. Wie froh sind wir, dass wir dies nicht sofort taten. Denn ein Dreirad zu fahren, ist gar nicht so einfach. Das wissen wir heute. Vor und bei dem Kauf gibt es einiges zu beachten. Die Entscheidung ist nicht trivial.
Glücklicherweise sprachen wir zuerst mit unserem Vater und fragten ihn, ob er sich das überhaupt vorstellen könne. Zugegebenermaßen war er zwar nicht begeistert („Ein Dreirad? Ich? Meine Töchter spinnen doch.“), aber immerhin aufgeschlossen, sich ein Dreirad, auch Trike genannt, einmal anzusehen.
Wir recherchierten daraufhin, wo man solche Dreiräder für Erwachsene bekommen kann, ob es sie auch mit Elektroantrieb gibt, was sie kosten und wer sie warten und reparieren kann. Ob man ein solches Dreirad auch ausprobieren kann und viele weitere Fragen diskutierten wir, um für unseren Vater das richtige Modell zu finden.
Mehrere Räder vor dem Kauf testen
Wir hatten das große Glück, einen Anbieter zu finden, der sogar zweimal mit jeweils drei Rädern zu uns kam. So konnte unser Vater sechs unterschiedliche Räder ausprobieren. Wir Töchter taten dies auch und lernten dabei: Dreiradfahren ist anders als Zweiradfahren.
Es gibt Dreiräder mit z. B. zwei Rädern vorne und einem hinten. Und solche mit zwei Rädern hinten und einem vorne. Einige haben einen großen Einkaufskorb, andere einen kleinen, wieder andere gar keinen. Zudem können Trikes wie normale Fahrräder einen Hoch- oder einen Tiefeinstieg haben. Jede Konstruktion ist anders und lässt sich anders fahren. Und zumeist fährt man erst einmal gegen ein Hindernis wie einen Zaun – so auch meine Schwester und ich.
Wir müssen zugeben: Unser Vater beherrschte das Trike von Anfang an besser als wir. Da wir alle drei alle sechs Modelle ausprobiert und viel über die Unterschiedlichkeiten gelernt hatten, konnten wir schließlich die richtige Entscheidung treffen.
Wir kauften ein Dreirad mit Elektroantrieb, ein E-Trike, das sich sehr einfach fahren lässt und zudem noch recht sportlich aussieht: vorne mit einem kleinen Rad und hinten mit zwei großen. Unser Vater sitzt fast wie in einem Sessel auf einem Sitz mit einer hohen Lehne (siehe Bild). Es sei „saubequem“, sagt er, und lasse sich „außerordentlich gut“ fahren. Uns erinnert es an den Kultfilm „Easy Rider“ aus den 1970er-Jahren.
Allerdings war es nicht günstig. Über die Investition von rund 5.000 Euro mussten wir einige Wochen in der Familie diskutieren. Doch sind wir froh, uns dafür entschieden zu haben. Unser Vater ist wieder mobil und unabhängig. Heute kauft er sogar für Nachbarn ein und sorgt außerdem für Gesprächsstoff im Dorf. Glückauf, Papa – wir freuen uns sehr für dich!
Checkliste für den Erwerb eines Trikes
Nutzung:
Wie viel Fahrrad fährt man täglich? In welcher Gegend wohnt man – sind die Straßen vorwiegend mit oder ohne Steigung? Davon hängt ab, welche Anforderungen an das Trike/Dreirad und ggf. den Motor zu stellen sind.
Unterbringung:
Ist eine sichere Abstellmöglichkeit gegeben, z. B. Garage?
Versicherung:
Soll eine Fahrradversicherung abgeschlossen werden? Welche Voraussetzungen müssen dafür gegeben sein (Abstellmöglichkeit, Fahrradschloss etc.)?
Finanzierung:
Welche finanziellen Möglichkeiten stehen zur Verfügung? Gebrauchte Räder können eine Alternative sein. Vergessen Sie nicht, das Fahrradschloss, die jährliche Wartung und ggf. eine Fahrradversicherung mit einzukalkulieren.
Aufladen/Ladegerät:
Der Akku sollte leicht zu laden sein. Prüfen Sie im Vorfeld die Steckdose – z. B. in Ihrer Garage – und messen Sie aus, wie lang das Ladekabel sein sollte, damit Sie das Rad ohne viel Aufwand und Anstrengung laden können.
Garantie:
Bei Neurädern sollte die Garantieleistung nicht unter zwei Jahren liegen.
Wartung:
Ein Dreirad (mit Elektroantrieb) ist regelmäßig zu warten. Klären Sie mit einem Fahrradbetrieb Ihrer Wahl, ob dort die Wartung durchgeführt werden kann. Erfahrungsgemäß bieten Händler jährliche Wartungsverträge mit an.
Leichtigkeit der Bedienung:
Viele Funktionen sind erklärungsbedürftig, so etwa die Bremse. Denn anders als das althergebrachte Fahrrad muss ein elektrisch angetriebenes Rad gebremst abgestellt werden. Die Bremsen sind unterschiedlich einfach zu betätigen. Probieren Sie dies vorher unbedingt aus.
Probefahrt:
Kaufen Sie bitte kein (E-)Trike, ohne es vorher auszuprobieren! Seriöse Anbieter ermöglichen eine Probefahrt. Es gibt sogar Anbieter, die zwei bis drei Fahrräder zu Ihnen nach Hause bringen, um sie dort zu testen.
Auch im Alter ist es wichtig in Bewegung zu bleiben. Angehörige können bei der Bewegungsförderung unterstützen.