Der Rollator – Besser als sein Ruf?

Der Rollator – Besser als sein Ruf?

Rollatoren sind als Hilfsmittel zur Unterstützung des Gehens nicht wegzudenken. Ihre Beliebtheit führt dazu, dass sie oft auch ohne eine entsprechende Indikation auf eigene Kosten angeschafft werden. Benutzer gehen davon aus, dass ihre Anwendung einfach ist. Wir erklären, was Sie bei der Nutzung eines Rollators beachten sollten und für wen er sinnvoll sein kann.
Der Rollator - Besser als sein Ruf?
GettyImages/Westend61

Die Beliebtheit von Rollatoren und die Entwicklung, dass sie oft auch ohne ärztlichen Rat angeschafft werden, führt dazu, dass Rollatoren oft häufiger mit Sturzereignissen in Verbindung gebracht werden und sich in bestimmten Fällen als kontraproduktiv erweisen.

Ein Rollator ist zwar ein Hilfsmittel, erweist sich aber manchmal zugleich auch als eine unhandliche Maschine, die in bestimmten Situationen (zum Beispiel Stufen, abschüssiges Gelände, unebene und enge Wegstrecke, wenn eine freie Hand benötigt wird wie zum Beispiel beim Türöffnen) selbst zum Hindernis wird.

Warum Rollator und keine andere Gehilfe?

Ein Anlass, über Gehhilfen nachzudenken, sind auftretende Unsicherheiten beim Gehen und Stehen. Für die richtige Wahl einer Gehhilfe müssen Anlass und Zielsetzung in eine sinnvolle Beziehung gebracht werden.

Akute Anlässe ergeben sich meistens im Zusammenhang mit einem tatsächlichen beziehungsweise einem beinahe eingetretenen Sturzereignis oder nach einer Krankheitsphase, die mit einem erheblichen Abbau psychomotorischer Fähigkeiten (Kraft, Gleichgewichtssinn und Koordination, optische Wahrnehmung) einhergehen. Ausgehend davon gilt es zu unterscheiden, ob eine Gehhilfe vorübergehend rehabilitativ oder dauerhaft kompensierend eingesetzt werden soll.

Der Einsatz eines Rollators zur Rehabilitation ist zeitlich eng begrenzt und verfolgt die Ziele Kraftgewinn, Kreislauftraining, Koordinationsübung, Teilbelastung. Betroffene und Angehörige sollten dabei bedenken, dass mit der Länge des Einsatzes die Gewöhnung an und die Abhängigkeit vom Rollator zunehmen.

Daher ist bei einer rehabilitativen Zielsetzung zu überlegen, ob man nicht besser einen Retro-Walker (Rückwärtslauf-Gehwagen, Posterior-Walker) einsetzt. Retro-Walker werden nicht vor dem Körper hergeschoben, sondern hinterhergezogen. So, dass man sich innerhalb der Unterstützungsfläche bewegt, die von den vier Räder ausgespart wird.

Das unbeabsichtigte Rückwärstlaufen wird durch eine Rücklaufsperre verhindert. Der schädigende Einfluss auf das Gangbild ist geringer, da die Hände eher neben dem Körper gehalten werden und die Kraft auf das Gestell übertragen, wodurch man einer physiologisch aufrechten Steh- und Gehhaltung näher kommt.

Beim herkömmlichen Rollator neigen Nutzer eher dazu, ihn vor sich her zu schieben. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass man zum Beispiel unmittelbar an einen Tisch oder eine Tür herantreten kann. Im Übrigen ist eine Ausstattung mit Sitzbank und Einkaufskorb wie beim Rollator gegeben.

Der Rollator kann eine Vorstufe zum Rollstuhl sein. Daher ist es sinnvoll, in dieser Phase nach Möglichkeit den Rollator wechselweise zusammen mit Unterarmgehstützen oder einem ergonomisch gut angepassten Gehstock einzusetzen, um die Chancen auf ein rollatorunabhängiges Gehen zu erhöhen.

Der Prozess des rechtzeitigen Abgewöhnens und des Umlernens muss dabei engmaschig durch eine entsprechende ergo- oder physiotherapeutische Anleitung begleitet werden.

Für den Einsatz eines Gehstocks spricht, dass er deutlich höhere Anforderung an den Bewegungsapparat hat und dementsprechend alle mit dem Gehen zusammenhängenden Fähigkeiten besser trainiert. Zudem lässt sich ein Gehstock in bestimmten Mobilitätssituationen (Stufen, unebenes Gelände) leichter handhaben.

Der größte Vorteil ist, dass man eine Hand frei hat, die im Bedarfsfall für einen zusätzlichen Halt oder zum Abfedern eines Sturzes eingesetzt werden kann. Allerdings setzt er eine gewisse Risikobereitschaft voraus, die nicht alle gerne eingehen wollen. Zumal wenn zuvor ein Sturzereignis stattgefunden hat.

In diesem Fall ist ein Rollator eine gute Alternative. Vorausgesetzt er wird richtig angewandt und man ist bereit zu akzeptieren, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem lebenslangen Begleiter wird bzw. die Vorstufe zum Rollstuhl darstellt. Die Nutzung des Rollators, auch die richtige, führt relativ schnell zu bleibenden und einschneidenden Veränderungen im Gangbild. Zu diesen Veränderungen zählen vor allem:

  • Abbau der Rückenmuskulatur, insbesondere auch der tiefen, die für die aufrechte Haltung von besonderer Bedeutung ist,
  • Verlernen der physiologischen Bewegungskoordination und damit
    Zunahme psychologischer Abhängigkeit (Angstvermeidung) vom Rollator.
  • Wo aber keine Alternative denkbar ist, bleibt der Rollator eine unschlagbare Hilfe bei der Alltagsbewältigung.

Auswahl des richtigen Modells

Die Auswahl des richtigen Modells hängt sowohl von objektiven als auch von subjektiven Faktoren ab. Wie die einzelnen Konstruktions- und Produktmerkmale aufeinander abgestimmt werden, muss konkret vor Ort und in Abhängigkeit vom Verwendungszweck (in- oder outdoor) und den Wegverhältnissen (glatt versus uneben) bestimmt werden.

Fahrgestell:

Dreirädrige Deltaräder sind besonders wendig, geben aber weniger Halt. Sie eignen sich am besten für enge Wohnungen, nicht für draußen. Bei vierrrädrigen Rollatoren sind die Reifen von großer Bedeutung. Je größer die Reifen, desto besser kann man über holprige und unebene Untergründe und im Schnee fahren. Luftgefüllte Ballonreifen haben einen höheren Rollwiderstand als Vollgummireifen. Letztere machen den Rollator aber schwerer und verringern den Wartungsaufwand.

Griffe:

Die Griffe sollten unbedingt ergonomisch geformt und einstellbar sein. Die Hand bleibt bei Gebrauch in mehr oder weniger einer Position fixiert. Anstelle zweier Griffe eignen sich auch quer verlaufende Bügel zur Kraftaufnahme. Sie ermöglichen das Umsetzen der Hände, wodurch sich die Körperhaltung verändert, was zur Entlastung führt.

Gewicht:

Leichtere Rollatoren (aus Aluminium/Carbon) erleichtern in vielen Situation die Handhabung. Da sie dadurch auch leichtläufiger sind, bedarf es einer Eingewöhnung, wenn man von einem Standardrollator umsteigt.

Bremsen:

Der Rollator sollte über zwei Bremsfunktionen verfügen: eine Feststell- und eine Schleiffunktion (Rollwiderstandsystem für die Fahrt bergab). Die Bremsen müssen vom Griff aus gut erreichbar und mit geringer Kraft bedienbar sein.

Ankipphilfe:

Bei der Ankipphilfe handelt es sich um kleine, mit dem Vorfuß zu bedienende Hebel am hinteren Ende des Fahrgestells. Durch sie können die vorderen Räder angehoben werden, um Stufen zu überwinden. Diese Funktion erfordert Übung, weil man kurzzeitig auf einem Bein steht und das Gleichgewicht verlagert. Die Ankipphilfe bieten aber nicht alle Hersteller an.

Sitzbank-/Korbfunktion:

Diese beiden Funktionen sind sehr willkommen, weil sie den praktischen Nutzen erhöhen. Leider sind sie oft so konstruiert, dass sie den Fußraum einengen und den Nutzer dazu drängen, hinter dem Wagen herzugehen, anstatt im Wagen zu laufen.

Sicher unterwegs mit dem Rollator

Das passende Modell ist die eine, die richtige Höheneinstellung, die Unterweisung in den Gebrauch und in der Anwendung sind die anderen wichtigen Voraussetzungen für den sicheren Umgang.

Zwar bietet die Unterweisung des Hilfsmittellieferanten Hinweise zur vorgegebenen fachgerechten Nutzung (Wartung, Aufbewahrung, Falten) und Handhabung, sowie eine Einweisung in die Bedienung und Einstellung, die Erklärung sicherheitsrelevanter Hinweise und Hinweise für die Pflege und Reinigung.

Dennoch kann eine zusätzliche Optimierung der Einstellung im Zusammenhang mit der Anwendung (Anwendungstraining, Rollatorführerschein) sinnvoll sein. Dieses fällt in die Eigenverantwortung des Nutzers. Zu den Bausteinen eines Rollatortrainings gehören unter anderem:

  • richtige Einstellung der Handgriffe und Bremsen,
  • richtiges Positionieren beim Laufen (im und nicht hinter dem Rollator),
  • Öffnen und Schließen von Türen,
  • Laufen auf verschiedenen Untergründen,
  • Bewältigen von Stufen, ggf. auch Benutzung von ÖPNV,
  • Rückwärtslaufen,
  • Verwendung in bestimmten Alltagssituation (zum Beispiel einkaufen),
  • Analyse häuslicher Gefahrenstellen (Teppiche, Schwellen) und
  • Umgang mit Engstellen (zum Beispiel schmales Badezimmer).

Es ist sinnvoll, dass begleitende Angehörige die Schulung ebenfalls mitmachen, damit sie richtig helfen und unterstützen können.