Ärztliche Zweitmeinung

Wann und bei welchen Eingriffen?
Es ist eine Situation, in der sich viele schon einmal befunden haben: Die Ärztin oder der Arzt schlägt eine bestimmte Behandlung vor, doch man ist sich nicht sicher, ob das der richtige Weg ist. Gerade wenn es dabei um eine Operation geht, sind viele verunsichert. Sie fragen sich, ob die OP wirklich erforderlich ist, da sie mögliche Folgen des Eingriffs oder Komplikationen fürchten. In diesen Fällen kann es ratsam sein, eine weitere Ärztin oder einen weiteren Arzt nach einer zweiten Meinung zu fragen.
In welchen Fällen man den Gang zu einer weiteren Ärztin oder einem weiteren Arzt auf sich nehmen möchte, sollte jede Patientin bzw. jeder Patient für sich persönlich entscheiden. Bei bestimmten Eingriffen empfiehlt es sich jedoch besonders, eine ärztliche Zweitmeinung einzuholen: Für manche Eingriffe ist bekannt, dass sie häufig auch in Situationen angewendet werden, in denen sie nicht angezeigt sind oder ihr Nutzen zweifelhaft ist. Dies gilt z. B. für Rückenoperationen, Spiegelungen des Kniegelenks oder Herzkatheter-Interventionen.
Auch der Umfang und die Art des Eingriffs spielen bei der Entscheidung eine Rolle. Besonders bei unumkehrbaren oder gravierenden Eingriffen, die das Leben nachhaltig verändern können, ist der Wunsch nach einer ärztlichen Zweitmeinung häufig groß. Hierzu zählen bspw. Gelenkersatz-Operationen oder Amputationen.
Möchte die Ärztin oder der Arzt ein Verfahren anwenden, für das die Patientin oder der Patient selbst einen hohen Teil der Kosten aufbringen müsste, kann es ebenfalls sinnvoll sein, eine Zweitmeinung einzuholen. In diesen Fällen ist es hilfreich, sich über Behandlungsalternativen zu informieren, die die Krankenkasse übernimmt, und sich zu erkundigen, ob der Nutzen des vorgeschlagenen Verfahrens wissenschaftlich belegt ist.
Gibt es ein Recht auf eine ärztliche Zweitmeinung?
Jede Patientin und jeder Patient hat ein Recht auf eine zweite Einschätzung durch eine Ärztin oder einen Arzt. Diese kann aus der freien Arztwahl resultieren oder aber daraus, dass für bestimmte Eingriffe das sogenannte Zweitmeinungsverfahren vorgesehen ist. Wer gesetzlich krankenversichert ist, hat die freie Arztwahl. Bei jedem Gesundheitsproblem – mag es auch noch so klein sein – kann eine zweite Ärztin oder ein zweiter Arzt befragt werden. Dabei sollte die Ärztin oder der Arzt allerdings nur dann innerhalb eines Quartals gewechselt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Es gibt jedoch auch Eingriffe, in denen die Patientin oder der Patient ein Recht auf ein besonderes Verfahren hat: Nämlich dann, wenn ein strukturiertes Zweitmeinungsverfahren zur Anwendung kommt, für das die Voraussetzungen gesetzlich klar geregelt sind. Wird einer Patientin oder einem Patienten ein solcher Eingriff empfohlen, ist die Ärztin oder der Arzt dazu verpflichtet, die Versicherte oder den Versicherten über ihr bzw. sein Recht, eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einholen zu können, aufzuklären. U. a. darf in diesem mündlichen Aufklärungsgespräch der Hinweis auf die Informationsangebote über geeignete Leistungserbringer nicht fehlen. Ergänzend kann die Ärztin oder der Arzt auf Unterlagen Bezug nehmen, die die oder der Versicherte in Textform erhält. Außerdem muss die Ärztin oder der Arzt die Patientin oder den Patienten auf ihr bzw. sein Recht aufmerksam machen, Kopien der Patientenakte zu erhalten, damit die zweite Ärztin oder der zweite Arzt sich anhand dieser eine Meinung bilden kann.
Zu beachten ist, dass die Ärztin oder der Arzt die Versicherte oder den Versicherten in der Regel mindestens zehn Tage vor dem geplanten Eingriff aufklären muss; in jedem Fall aber so rechtzeitig, dass die oder der Versicherte sich noch gut überlegen kann, ob sie oder er eine Zweitmeinung einholen möchte. Für die Versicherte oder den Versicherten ist das Verfahren freiwillig. Zurzeit ist dieses Verfahren bei einer Gebärmutterentfernung, einer Mandeloperation (Gaumen- oder Rachenmandeln) oder einer Schulterarthroskopie vorgesehen. Künftig ist auch bei geplanten Amputationen infolge eines diabetischen Fußsyndroms ein Zweitmeinungsverfahren möglich.
Wie sollte am besten vorgegangen werden?
Plant die Ärztin oder der Arzt einen Eingriff, der unter das Zweitmeinungsverfahren fällt, sollten Betroffene ihre Ärztin oder ihren Arzt auf deren Aufklärungspflicht ansprechen. Entscheiden sich die Betroffenen, eine Zweitmeinung einzuholen, sollte eine geeignete Ärztin oder ein geeigneter Arzt gesucht werden. Dabei greift das Recht, für die Zweitmeinung eine Ärztin oder einen Arzt zurate zu ziehen, die oder der eine besondere Qualifikation vorweist, also besondere Fachkenntnisse und Erfahrungen in dem Gebiet aufweist und speziell für das Zweitmeinungsverfahren zertifiziert ist. Die genauen Anforderungen sind für jedes einzelne Verfahren festgelegt. Eine Liste der Ärztinnen und Ärzte, die für die Zweitmeinung qualifiziert sind, finden Betroffene unter www.116117.de/de/zweitmeinung.php. Besonders zu beachten ist, dass die ausgewählte Ärztin oder der ausgewählte Arzt nicht in derselben Praxis oder Klinik wie die erste Ärztin oder der erste Arzt arbeiten darf. Auch in dem Krankenhaus, in dem der Eingriff stattfinden soll, darf die Ärztin oder der Arzt nicht tätig sein.
Haben auch Sie Fragen zur ärztlichen Zweitmeinung?
Die juristische Leiterin Heike Morris und das Team der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) beraten Sie gern. Wir leiten Ihre Fragen an die UPD weiter. Mail: hidajete.gashi@bibliomed.de Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir nicht jede Frage veröffentlichen können. Wir bemühen uns in diesen Fällen um eine individuelle Beantwortung Ihrer Frage durch die UPD. Gern können Sie sich auch direkt an das Beratungsteam der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) wenden. Die Beratung ist kostenfrei und steht allen Ratsuchenden unter der Rufnummer 0800 011 77 22 an 80 Stunden in der Woche zur Verfügung. Mehr Informationen über die UPD finden Sie unter www.patientenberatung.de.
Im nächsten Schritt sollte die Patientin oder der Patient mit der ausgewählten Ärztin oder dem ausgewählten Arzt einen Termin vereinbaren. Spätestens jetzt sollte sie oder er von der ersten Ärztin oder dem ersten Arzt die Patientenakte anfordern und an die ausgewählte Ärztin oder den ausgewählten Arzt übersenden. Alternativ kann diese direkt von der ersten Praxis an die neue Ärztin oder den neuen Arzt übersendet werden. Vor allem Unterlagen wie Röntgenbilder, die die Ärztin oder der Arzt dann genau prüfen wird, sind wichtig für den Termin. Während des vereinbarten Gesprächs wird die Ärztin oder der Arzt dann alle offenen Fragen mit der Patientin oder dem Patienten klären. Eine zweite Untersuchung ist in aller Regel nicht mehr erforderlich.
Am Ende gibt die Ärztin oder der Arzt ihre bzw. seine Einschätzung ab: Hält sie oder er den Eingriff ebenfalls für sinnvoll oder schlägt sie oder er eine andere Behandlung vor? Wenn das Ergebnis von der ersten Empfehlung abweicht, sollten die Betroffenen sie oder ihn bitten, das Ergebnis schriftlich zusammenzufassen. Dieses können Patientinnen oder Patienten dann an ihre erste Ärztin oder ihren ersten Arzt übersenden.
Wer übernimmt die Kosten?
Ist ein Eingriff geplant, bei dem gesetzlich Versicherte Anspruch auf ein Zweitmeinungsverfahren haben, übernimmt die Krankenkasse die Kosten für das Verfahren. Auch die Kosten für die Übersendung der Unterlagen oder Anfertigung der Kopien ist für Betroffene kostenlos.