Gemeinschaftliche Selbsthilfe ist, wenn sich Menschen mit ähnlichen Problemen und Herausforderungen in Gruppen zusammenschließen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Diese Form der Selbsthilfe basiert auf dem Grundsatz, dass Betroffene, die sich in einer ähnlichen Lebenssituation befinden, oft die besten ratgebenden und unterstützenden Personen füreinander sind. Es geht um den Austausch von Erfahrungen, gegenseitige Ermutigung und emotionale Unterstützung. Jede zehnte erwachsene Person beteiligt sich im Laufe ihres Lebens an einer Selbsthilfe-Gruppe. Gemeinschaftliche Selbsthilfe hat sich längst als bewährte Methode etabliert, um mit Problemen umzugehen (Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe, NAKOS 2024).
Gemeinschaftliche Selbsthilfe bietet Erfahrung, Ermutigung und Unterstützung
Auch im Bereich der Pflege gewinnt die gemeinschaftliche Selbsthilfe zunehmend an Bedeutung. Pflegende Angehörige schließen sich mit gleichbetroffenen Menschen zusammen. Durch Gespräche beziehungsweise gemeinsame Aktivitäten finden sie Hilfe für sich selbst und für die eigene Lebens- und Pflegesituation.
Unter Pflegeselbsthilfe sind sowohl Selbsthilfe-Gruppen für pflegebedürftige Menschen als auch für deren Angehörige oder für Mischgruppen beider Personenkreise zusammengefasst. In Deutschland gibt es über 1.600 Selbsthilfe-Gruppen speziell für pflegende Angehörige. Diese Gruppen heißen auch Angehörigen- oder Gesprächsgruppen. Sie können neben dem Erfahrungsaustausch auch aktive und kreative Angebote beinhalten.
In Selbsthilfe-Gruppen mit dem Thema Pflege organisieren sich:
- Eltern pflegebedürftiger Kinder
- Kinder und junge Erwachsene pflegebedürftiger Eltern
- hochaltrige Angehörige
- Angehörige von Menschen mit Behinderung und Pflegebedarf
- Angehörige von Menschen mit (schweren) psychischen Erkrankungen
- Angehörige mit internationaler Geschichte
- Angehörige, die aus der Ferne pflegen und betreuen
Hier zeigt sich, dass die Gruppe der pflegenden Angehörigen sehr divers und in allen Gesellschaftsschichten und Altersgruppen zu finden ist.
Selbsthilfe-Gruppen wirken Isolation und Einsamkeit entgegen
Das Bewusstsein, mit seinen Problemen nicht allein zu sein, offen über die Pflegesituation sprechen zu können, von den Erfahrungen anderer Menschen zu profitieren und dadurch zu lernen, die Herausforderungen besser zu bewältigen, sind die Kraftquellen der Selbsthilfe-Gruppen. Sie ermöglichen einen Ausgleich vom Pflegealltag und wirken Isolation und Einsamkeit entgegen. Pflegeselbsthilfe-Gruppen können Angehörigen die Möglichkeit zurückgeben, ihre eigenen Interessen, ihr Rollenbild, ihre Belastbarkeit und ihre Kontrolle über das Leben wahrzunehmen. Sie durchlaufen einen Prozess der Bewusstmachung der eigenen Haltung den pflegebedürftigen Menschen gegenüber. Es geht um Klarheit und Transparenz und um bewusste Entscheidungen.
Hiervon ausgehend können Angehörige entscheiden, welche Aufgaben sie für pflegebedürftige Menschen übernehmen können, welche Unterstützung organisiert werden muss und welche Freiräume Angehörige für sich benötigen. So können Pflegeselbsthilfe-Gruppen dazu beitragen, die Gesundheit der Angehörigen zu fördern, den Verbleib der pflegebedürftigen Menschen in der Häuslichkeit zu unterstützen und stationäre Pflege zu verzögern oder gar zu verhindern.
So finden Sie eine passende Selbsthilfe-Gruppe
Interessierte können sich an eine der 330 Selbsthilfe-Kontaktstellen in Deutschland wenden. Sie unterstützen bei der Suche nach einer Selbsthilfe-Gruppe.
Die Mitarbeitenden einer Selbsthilfe-Kontaktstelle
- vermitteln Interessierte an Gruppen
- beraten bei der Neugründung von Gruppen und zu finanziellen Fördermöglichkeiten
- bieten Räume für Gruppentreffen
- begleiten Gruppen bei Bedarf
Auf nakos.de finden Sie die Adressen aller Selbsthilfe-Kontaktstellen in Deutschland. Oder Sie wenden sich an die Ansprechperson für Pflegeselbsthilfe Ihres Bundeslandes.
Finanzielle Förderung der Selbsthilfe durch Pflegeversicherung
Die Teilnahme an einer Selbsthilfe-Gruppe ist kostenfrei. Wenn doch Kosten entstehen, zum Beispiel für Raummieten, Medien oder Referentenhonorare für Fachvorträge, können Fördermittel beantragt werden.
Die positiven Wirkungen der Pflegeselbsthilfe hat der Gesetzgeber erkannt und 2008 eine finanzielle Förderung durch die Pflegeversicherung in Paragraf 45d SGB XI eingeführt. Förderfähig sind Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Unterstützung von Pflegebedürftigen sowie von deren Angehörigen und vergleichbar Nahestehenden zum Ziel gesetzt haben. Eine Besonderheit bei dieser Förderung ist die Ko-Finanzierung, bei der Länder 25 Prozent und die Pflegekassen 75 Prozent der Förderung übernehmen. Die Mittel der Pflegekassen in Höhe von 15 Cent je Versicherten (knapp 12 Millionen pro Jahr) können jedoch nur eingesetzt werden, wenn das Land seinen Anteil von 25 Prozent für die jeweilige Fördermaßnahme zur Verfügung stellt.
Das neue Faltblatt „Pflegende und sorgende Angehörige. Betroffenheit verbindet“ macht Angehörige auf Möglichkeiten der Pflegeselbsthilfe aufmerksam, informiert, wie Betroffene eine Gruppe kontaktieren können, und verweist auf die örtlichen Selbsthilfe-Kontaktstellen als Unterstützungsmöglichkeit. Das Faltblatt steht zur kostenlosen Bestellung zur Verfügung, sowohl digital als auch in gedruckter Form: https://www.dag-shg.de/ueber-dag-shg/projekte/
Weniger als die Hälfte der Fördermittel werden genutzt
Bei der Verausgabung der Fördermittel besteht erheblicher Nachholbedarf. Die Länder rufen mit einem Anteil von weit unter 50 Prozent das Potenzial dieses Geldes bei Weitem nicht wie erhofft ab. Nicht beantragte Mittel werden ins Folgejahr übertragen. Wie anschließend mit diesen Mitteln umgegangen wird, ist nicht transparent.
Eine Ursache für die schlechte Mittelausschöpfung sind die sehr geringen Fördersummen, die von einigen Ländern für einzelne Maßnahmen bereitgestellt werden. Da die Kassen nicht befugt sind, ihren Teil der Fördersumme nach Bedarf festzulegen, dürfen sie nur ihre 75 Prozent, ausgehend von der bereitgestellten Summe des Landes, beitragen. Steuert das Land also nur einen geringen Beitrag bei, bleibt auch die Gesamthöhe der Fördermaßnahme entsprechend klein. Ein weiterer Grund für den geringen Mittelabruf ist eine Förderpraxis, die dem Fördergegenstand nicht gerecht wird. So wird insbesondere der unverhältnismäßig hohe bürokratische Aufwand sowohl bei der Antragstellung als auch bei der Verwendungsnachweisführung kritisiert, welcher in keinem Verhältnis zu den gewährten Fördermitteln steht. Außerdem werden die langen Bewilligungszeiträume von bis zu zwölf Monaten kritisiert.
Die Förderung entfaltete sich deutschlandweit betrachtet nicht wie gewünscht. Nach derzeitiger Gesetzeslage steuern die Länder die Förderung, indem sie Fördermittel in Form von freiwilligen Leistungen für die Selbsthilfe gemäß Paragraf 45d SGB XI bereitstellen oder eben nicht. In der Praxis ergeben sich viele Probleme, die dringend gelöst werden müssen. Die Möglichkeiten dieser Förderung bieten Chancen, die von den Ländern allerdings ungenügend genutzt werden.
Selbsthilfe gibt den betroffenen Menschen eine starke Stimme nach außen mit dem Ziel, gemeinsam etwas zu bewegen in Politik und Gesellschaft, um Interessen eigenmächtig, selbstverantwortlich und selbstbestimmt zu vertreten.
