Schluckstörung: Symptome und Ursachen
Eine Schluckstörung (Dysphagie) ist definiert als ‧eine Funktionsstörung des Schluckaktes. Der elementare, meist unbewusst ablaufende Vorgang des Schluckens dient einerseits dem Schutz der oberen Atemwege, andererseits der Zufuhr von Flüssigkeit und Nahrung. Beeinträchtigungen des Schluckvorganges können somit zu ernsten lebensbedrohlichen Komplikationen führen.
Am gesamten Schluckvorgang sind ca. 50 Muskeln und sechs Hirnnerven beteiligt. Das Schlucken geschieht meistens unbewusst und unwillkürlich 580- bis 2.000- mal am Tag.
Wann können Schluckstörungen auftreten und welche Ursachen gibt es dafür?
Ein älterer Mensch unterliegt natürlich auch im Bereich des Schluckens altersphysiologischen Veränderungen mit unterschiedlichsten Auswirkungen.
Zu diesen altersabhängigen Veränderungen gehören u. a.:
- Zahnverlust, nicht passende Prothese,
- Kiefer- und Kiefergelenksveränderungen,
- stärkere Verknöcherung der Rachen- und Halsstrukturen,
- Verringerung der Muskelkraft der Schluckmuskulatur,
- verminderte Sensibilität (Empfindlichkeit) im Mund, Rachen und Hals,
- verminderte Elastizität (Dehnbarkeit) des Gewebes, insbesondere am oberen Speiseröhreneingang,
- Verlegung der Atemwege,
- verminderte Speichelproduktion,
- vermindertes Durstgefühl,
- reduzierte Geruchs- und Geschmackswahrnehmung.
Weitere Einflussfaktoren auf das Schlucken im Alter sind ein vermehrtes Auftreten von Schluckstörungen bei neurologischen Erkrankungen (zum Beispiel Schlaganfall, Morbus-Parkinson-Syndrom, demenzielles Syndrom), bei Tumorerkrankungen (zum Beispiel nach Bestrahlung und Operation), bei pulmonalen Erkrankungen wie zum Beispiel chronische obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) und bei degenerativen Halswirbelsäulenerkrankungen. Zudem kommt es durch die Zunahme chronischer Erkrankungen bei Einnahme von mehreren Medikamenten auch zu Nebenwirkungen mit Schluckstörungen.
Welche Symptome weisen auf eine Schluckstörung hin?
Schluckstörungen können in ihrem Auftreten und in den anfänglichen Symptomen sehr unterschiedlich sein.
Sie können sehr plötzlich auftreten, meistens mit Akuterkrankungen wie Schlaganfall oder Unfall, aber sie können auch langsam schleichend ihre Symptome entwickeln zum Beispiel bei Demenz, Morbus Parkinson oder Muskelerkrankungen. Hier ist es weitaus schwieriger, ein Bewusstsein für die Symptome, wie beispielsweise Räuspern während und nach dem Essen und häufigere Erkältungen, zu entwickeln, da sie häufig als „normal“ empfunden werden.
Es gibt klinische Hinweise, die auf eine mögliche Schluckstörung hinweisen:
- Kauprobleme,
- verlängerte orale Phase (Kauphase, Pumpbewegungen mit der Zunge),
- Liegenbleiben von Nahrungsresten oder Tablette im Mund,
- Herausfließen von Speichel, Nahrung aus dem Mund,
- Niesen, Herausfließen von Nahrung aus der Nase,
- Gefühl des Steckenbleibens im Hals (Globusgefühl),
- eingeschränkte oder fehlende Kehlkopfhebung,
- eingeschränkter beziehungsweise stark abgeschwächter willkürlicher Husten,
- Husten (vor, während oder nach dem Schluck),
- Rachen reinigen (Räuspern),
- gurgelnde Stimmqualität/belegte Stimme,
- Schwierigkeiten der Artikulation (verwaschene Sprache),
- abnormaler Würgreflex,
- angestrengtes Schlucken und/oder kompensatorische Mitbewegungen.
Hinweise aus dem Gesamtbild des Angehörigen, die auf eine mögliche Schluckstörung deuten können, sind etwa häufige Atemwegsinfekte bis hin zur Lungenentzündung, Gewichtsabnahme, Austrocknung, Angst vor dem Verschlucken oder vor dem Essen, Rückzug aus dem öffentlichen Leben bei Nahrungsaufnahmen und Vermeidung von bestimmten Lebensmitteln aus unbestimmten Gründen.
Welche Folgen können Schluckstörungen haben?
Werden Schluckstörungen nicht zeitnah entdeckt und der Angehörige darauf eingestellt, dann können schwerwiegende Komplikationen auftreten. Dazu gehören:
- untere Atemwegsinfekte wie Aspirationspneumonie, Lungenentzündung durch Verschlucken von Flüssigkeit oder Speisen,
- Atemwegsobstruktion/Verstopfung durch Bolusaspiration/Verschlucken meist festerer Speisen,
- akuter Bolustod, Tod durch Ersticken an Verschlucktem,
- Exsikkose, Austrocknung mit Folgen wie Verstärkung demenzieller Symptome, Verstärkung apathischer Tendenzen und Verstärkung medikamentöser Interaktionen (Neben- und Wechselwirkungen),
- Mangelernährung mit Folgen wie achtfach erhöhtes Mortalitätsrisiko (Sterberate) im Krankenhaus, höhere Komplikationsrate und längere Liegedauer.
Was gilt es, bei der Ernährung zu beachten, wie können Angehörige unterstützen?
Eine Schluckstörung/Dysphagie betrifft die Patientin oder den Patienten (im Folgenden Patient) selbst, aber auch Angehörige, Freunde und Fachpersonal aus verschiedenen Berufsgruppen, die mit dem Patienten arbeiten.
Die Anpassung der Nahrungsmittelkonsistenzen/Beschaffenheiten an die individuelle Schluckfähigkeit ist eine Grundvoraussetzung für ausreichende, sichere Nahrungsaufnahme ebenso wie für den Schutz der Lunge vor schweren Komplikationen durch Eindringen von Nahrung und/oder Flüssigkeiten.
Medikamentengabe
Viele Patienten haben Schwierigkeiten beim Schlucken fester Medikamente (Tabletten, Kapseln), häufig abhängig von Größe und Oberflächenbeschaffenheit. Werden diese mit Flüssigkeiten geschluckt, stellt dies eine klassische Mischkonsistenz (flüssig-fest) dar. Das ist vergleichbar mit einer Suppe mit Einlage, die bei Schluckstörungen hochgefährlich sein kann.
Veränderungen und Manipulationen fester oraler Medikamenten-Darreichungsformen wie Teilen, Mörsern, Suspendieren oder Öffnen von Kapseln werden in der Praxis häufig verwendet, sind aber vom Hersteller nicht zugelassen. In diesen Fällen geht die Verantwortung vom Hersteller auf den Anwender über.
Auch bei der Tropfengabe sollte eine Anpassung von dünnflüssigen und öligen Arzneimitteln an die aktuellen Schluckfähigkeiten angepasst werden. Hier kann es sinnvoll sein, die Tropfen leicht anzudicken und auf einem Teelöffel zu reichen.
Der Schnabelbecher
Leider ist der Schnabelbecher schon fast ein Synonym für das „Trinkgefäß des älteren Patienten“ geworden. Außer, dass er vielleicht teilweise helfen kann, nicht alles zu verschütten, bringt er doch eher eine Reihe von Gefahren mit sich.
Nachteile und Risiken des Schnabelbechers:
- der Schnabelbecher verhindert eine genaue Dosierung der Flüssigkeitsmenge mit den Lippen,
- durch den Einsatz des Schnabelaufsatzes wird die Lippenwahrnehmung umgangen, mit der der Trinkende beim normalen Schluck aus der Tasse oder Glas erkennt, wie die Beschaffenheit (flüssig, sämig) und die Temperatur (kalt, warm, heiß) des Getränkes sind,
- der vermeintliche Vorteil, bequem liegend trinken zu können, bringt medizinisch betrachtet große Gefahren mit sich.
Der Nasenausschnittsbecher stellt hier eine mögliche ‧Alternative dar. Entscheidend beim Thema Schluckstörungen sind das Erkennen und daran Denken.
Tipps für die Nahrungsaufnahme bei Menschen mit Schluckstörungen:
- Vorbereitung: Brille, Prothese und Hörgerät kontrollieren; Essen sehen, riechen und schmecken lassen; Löffel von vorne unten anreichen.
- Abstand zwischen Mund und Teller nicht mehr als 30 cm .
- Aufrechte Sitzposition beachten – Stabilität geben (wenn möglich, Bodenkontakt der Füße).
- Kopf leicht auf die Brust neigen .
- Möglichst früh den Angehörigen/Patienten den Löffel oder Glas in die Hand geben (ggf. Hand führen, wenn nötig).
- Angepasste Nahrungsmittel (Konsistenz, Menge, Schluckportionsgröße) einhalten.
- Zeit lassen, gut kauen und Nachschlucken abwarten.
- Mund muss leer sein, bevor eine neue Portion aufgenommen wird.
- Während des Essens eine Ablenkung durch Gespräche vermeiden.
- Kommt es im Verlauf der Nahrungsaufnahme zu Husten, Räuspern und/oder belegter Stimme wegen möglicher Ermüdung (Schluckmuskulatur), eine Pause einlegen.
- Nach dem Essen noch ca. 20 min aufrecht sitzen bleiben – so können Reste im Rachen nach und nach sicherer abgeschluckt werden.
- Nahrungsreste im Mund entfernen; gute Mundpflege ist sehr wichtig und beugt Lungenentzündungen vor.
- Informationen über individuelle Probleme (z. B. schlechter Allgemeinzustand und/oder Hinweise auf eine Schluckstörung) an die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt, Therapeuten oder Pflegekräfte unbedingt weitergeben.