Menschen müssen spielen
Spielen ist wichtig – unabhängig vom Alter. Kinder lernen durch Spielen, Erwachsene entdecken sich im Spiel. In allen Gesellschaften und Kulturen wird gespielt. Der spielende Mensch „Homo ludens“ wird neben den arbeitenden Mensch „Homo faber“ gestellt. Spielen hat viele Auswirkungen: Es enthebt aus dem Alltag und aus Kümmernissen, bindet die Aufmerksamkeit und macht Spaß. Spiel ist auch eine Herausforderung, man möchte gewinnen. Spiel sorgt für Geselligkeit und Wettbewerb – bei allen Menschen.
Zwar ändern sich die Inhalte der Spiele, aber die Lust daran bleibt – bei Jung und Alt. Überall gibt es Casinos und Spielsalons. Viele Menschen lieben offenbar das Risiko und das Glücksversprechen, die überbordende Werbung für Lotterien und Wettveranstaltungen zeigt dies.
Millionen Bürgerinnen und Bürger spielen Lotto. Dass dieses Spiel gesellschaftlich integriert ist, sieht man an der Ergebnispräsentation jede Woche im TV zur Nachrichtenzeit. Auch bei Pflegebedürftigkeit sollte diese Gewohnheit solange wie möglich erhalten werden, mit allen „Zeremonien“ rund um dieses Spiel.
Zunehmend verlagert sich die Szene auch in das Internet. Jüngere Menschen lieben heutzutage Fantasy-Spiele in großen Gemeinschaften, mit und ohne Computer.
Aber auch für ältere Menschen gibt es viele Möglichkeiten des Spielens: In Altenheimen, in Begegnungsstätten oder in der Tagespflege wird gespielt. In einer Pflegeanamnese sollte gefragt werden, ob es früher Lieblingsspiele gab.
Selbst gemachte Spiele und Online-Rätsel
Im Internet finden Sie hilfreiche Anleitungen, wie sich Spiele mit einfachen Materialien selbst herstellen lassen, so z. B. unter www.mal-alt-werden.de/category/spiele/. Online rätseln können Sie z. B. hier: www.singliesel.de/kostenlose-online-spiele-und-beschaeftigungen.
An Vergangenes erinnern
In der letzten Zeit erlebe ich, dass in den Familien die Enkel oder Urenkel sich mehr für die Erfahrungen der alten Menschen interessieren, einiges aufschreiben oder auf Tonträger aufnehmen. Es gibt Hunderte Themen für viele Sitzungen – ein Schwerpunkt könnten Spiele der Kindheit sein.
Früher wurde viel draußen gespielt. Es ist interessant, etwas zu erfahren über Hinkelhäuschen, Doppelbällchen oder Murmelspiele, über Gummitwist, Verstecken oder „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“ (dem Kohlelieferanten).
Tatsächlich gibt es heutzutage viele neuere Spiele, die extra für die Altenpflege entwickelt werden, etwa Aktivierungs- oder Gedächtnisspiele mit therapeutischem Hintergrund, biografieorientierte Spiele zur gemeinsamen Erinnerung. Speziell für demente Menschen existieren zahlreiche Spiele. In Gruppen sind „Bingo“ oder Quizspiele sehr beliebt.
An Bekanntes anknüpfen
Hier soll es aber mehr um gemeinsame Spiele mit pflegebedürftigen Menschen zu Hause gehen – auch die pflegenden Angehörigen profitieren und erleben durch das Spiel eine andere Begegnung. Meine wichtigste Aufforderung ist: Schließen Sie an beliebte frühere Spiele an – gerne Brett-, Würfel- oder Kartenspiele. Gute Spiele bleiben über Jahrzehnte erhalten. Sie bedienen geeignete Muster der Wahrnehmung, Konkurrenz und Vielfalt. Sie wechseln zwischen Strategie und Glück.
Einschränkungen und Fertigkeiten beachten
Berücksichtigen Sie einfache Spiele mit kurzem Verlauf, komplizierte Anleitungen sind zu umständlich. Häufig wird zu zweit gespielt, obwohl vorstellbar ist, dass regelmäßig ein kleines Spiele-Familientreffen mit mehreren Personen stattfinden könnte. Spielemöglichkeiten können auch bei Betreuungskräften angefragt werden.
Tatsächlich habe ich mehrmals erlebt, dass die frühere Rommé-, Canasta- oder Skatrunde weiter stattfand, auch wenn eine Person nur noch passiv dabei war. Selbst wenn Menschen zu krank sind, um zu reagieren, sollten sie bei mehreren Spielpartnerinnen und -partnern dazugeholt werden, denn selbst ein bloßes Dabeisein kann wahrgenommen werden.
Möglicherweise müssen Sinneseinschränkungen oder auch Greiffertigkeiten bedacht werden. Aber das gute alte „Mensch ärgere Dich nicht“ gibt es auch mit größeren Figuren oder Magnethalterungen. Ebenso sind „Domino“ oder „Rummikub“ mit dicken Spielsteinen erhältlich. Auch wenn früher „Mühle“ oder „Kniffel“ gespielt wurde, lässt sich daran anknüpfen. „Skyjo“ ist ein neueres Kartenlegespiel mit einfachem Verlauf – spannend und spaßig. Empfehlenswert ist zudem „Uno“, das auch zu zweit gespielt werden kann.
Solospiele wie Puzzles können Erfolgserlebnisse vermitteln, 50er- oder 100er-Puzzles mit größeren Teilen eignen sich. Solitärspiele gibt es auch mit handlichen Greifzylindern. Für technikaffine Pflegebedürftige finden sich viele Anregungen im Internet. Patience, Bridge oder gar Schach können genauso gut allein gespielt werden. Insgesamt sollten die Spiele nicht zu kindlich sein.
Neues ausprobieren
Digitale Spiele sollten ausprobiert werden – es wird eine Generationenfrage sein. Bei den heute 90-Jährigen sehe ich das eher skeptisch, aber es wird sich ändern. Die Industrie entdeckt diesen größer werdenden Markt.
Das urmenschliche Phänomen fördern
Schließlich möchte ich noch eine Lanze brechen für das Kreuzworträtseln, vergleichbar mit einem Quizspiel. Ich kenne viele Menschen, die täglich rätseln, sich spezielle Rätselhefte kaufen – und dies sollte trotz Pflegebedürftigkeit beibehalten werden. Denn Menschen lassen sich gerne fragen und sind stolz, etwas beitragen zu können. Und so zeigt sich immer wieder: Spielen ist ein urmenschliches Phänomen, das auch bei pflegebedürftigen Menschen aufrechterhalten werden sollte.