Kinästhetik: Erleichterung und Sicherheit für Pflegebedürftige und Angehörige

Kinästhetik: Erleichterung und Sicherheit für Pflegebedürftige und Angehörige

Im Mittelpunkt der Kinästhetik steht die Auseinandersetzung mit Bewegungsabläufen und die Erhaltung und Verbesserung der Mobilität. Sie bietet daher viele Anregungen, um den Pflegealltag für Sie und Ihren Angehörigen einfacher und sicherer zu gestalten. Erfahren Sie mehr über das ganzheitliche Konzept der Kinästhetik, mögliche Anwendungsbereiche und wie man sie – auch mit Unterstützung der Pflegekassen – erlernen kann.

Eine Frau stützt einen älteren Mann und hilft ihm vom Bett in den Rollstuhl zu wechseln: Mit dem Konzept der Kinästhetik können Sie Mobilität und Selbstbestimmtheit Ihres pflegebedürftigen Angehörigen erhalten helfen.
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    „Oft sind es die Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen“, erzählt Margarete Hirsch. „Manche Angehörige haben beispielsweise jeden Tag Probleme, ihrem pflegebedürftigen Familienmitglied beim Aufstehen zu helfen. Bei solchen alltäglichen Pflegesituationen kann ich als Kinästhetik-Trainerin Unterstützung anbieten.“

    Dafür lässt Margarete Hirsch die Pflegenden erstmal selbst von einem Stuhl aufstehen, um den eigenen Bewegungsablauf genau zu betrachten. „Mit dieser Eigenerfahrung finden wir dann gemeinsam eine Lösung, die für beide Seiten passt. „Das ist für viele Pflegende wie auch ihre Angehörigen eine spürbare Erleichterung.“

    Die gelernte Krankenpflegerin ist nach 45 Jahren im Arbeitsleben eigentlich schon im Ruhestand. Doch noch immer möchte sie als Trainerin und Pflegeberaterin weitergeben, was ihr unter anderem dabei geholfen hat, ihren Beruf mit Freude auszuüben: die Anwendung von Kinästhetik.

    Was ist Kinästhetik und wie hilft sie Pflegebedürftigen und Angehörigen?

    Das Konzept der Kinästhetik konzentriert sich auf die Wahrnehmung und das Verständnis von körperlichen Bewegungen und Empfindungen in alltäglichen Aktivitäten. In seiner jetzigen Form entwickelten es der US-amerikanische Tanz-Choreograph Dr. Frank Hatch und die Psychologin Dr. Lenny Maietta in den 1970er Jahren.

    Seitdem wird es weltweit in Pflege- und Betreuungseinrichtungen angewendet. Das Ziel: die Körperwahrnehmung der Betreuten zu verbessern und so die Selbstbestimmung und Mobilisierung so lange wie möglich zu erhalten. Außerdem soll es Pflegende entlasten, indem sie durch angewandte Kinästhetik die Pflege mit weniger Körperkraft durchführen können.

    In der Kinästhetik wird der Körper nicht isoliert betrachtet, sondern immer im Kontext von Raum und Interaktion. Man achtet also beispielsweise darauf, wie viel freier Platz in einem Zimmer vorhanden ist, wo es Festhaltemöglichkeiten gibt und wo Stolperfallen liegen.

    Kinästhetik praktisch anwenden

    Mit den fließenden und sanften Bewegungsabläufen unterstützen Sie Ihre pflegebedürftigen Angehörigen im Alltag. Eine kleine Anleitung.

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    Wer hat den größeren Nutzen von Kinästhetik – Pflegebedürftige oder Angehörige?

    Für wen aber eignet sich Kinästhetik nun vor allem? „Für jeden“, lautet die klare Antwort von Margarete Hirsch. „Sowohl für die Pflegenden als auch für die Pflegebedürftigen gibt es keine Gründe, die gegen den Einsatz von Kinästhetik sprechen.“ Selbst die Betreuung von Bettlägerigen und Koma-Patienten kann kinästhetische Elemente enthalten und den Genesungsverlauf positiv beeinflussen. Man hat sogar beobachtet, dass Patienten nach schweren Unfällen schneller wieder mobil wurden, wenn bereits früh Kinästhetik angewendet wurde.

    5 Vorteile der Kinästhetik für Pflegebedürftige und Angehörige

    Durch Kinästhetik profitieren beide Seiten Ihrer Pflegebeziehung. Denn Sie können dadurch nicht nur die Lebensqualität Ihres Angehörigen verbessern, sondern auch leichter für Ihr eigenes Wohlbefinden sorgen.

    1. Stärkung der Pflegebeziehung

    Die Bewegungsabläufe der Kinästhetik erfordern in vielen Fällen engen Körperkontakt. Durch das gemeinsame körperliche Erleben entwickeln Pflegende häufig ein tieferes Verständnis für die Bedürfnisse und Empfindungen ihrer Angehörigen. Dies ermöglicht eine sensiblere und mitfühlendere Betreuung, vor allem, wenn die kognitive und verbale Kommunikation eingeschränkt ist. Außerdem spielen in der Kinästhetik auch Respekt, Einfühlungsvermögen und Achtsamkeit eine große Rolle. Das kann sich positiv auf das Vertrauen und die Bindung zwischen Ihnen und Ihrem Angehörigen auswirken.

    2. Körperliche Entlastung für den Pflegenden

    Die Kinästhetik setzt auf fließende, sanfte und natürliche Bewegungen. Ihr Rücken und Ihre Gelenke werden so gegenüber den häufig ruckartigen, auf Kraft basierenden herkömmlichen Abläufen deutlich mehr geschont.

    3. Mehr Selbstwirksamkeit

    Einige Ursprünge der Kinästhetik stammen aus dem Tanzsport. Genau wie dort arbeiten bei kinästhetischen Bewegungsabläufen beide Partner mit. Ihr pflegebedürftiger Angehöriger ist also aktiv an den Prozessen beteiligt. Das stärkt das Gefühl, noch selbst etwas beitragen zu können, er fühlt sich weniger hilflos und fremdbestimmt.

    4. Geringeres Verletzungsrisiko

    „Kinästhetik kann man in der Pflege hervorragend prophylaktisch einsetzen, beispielsweise zur Sturzprophylaxe“, erläutert Margarete Hirsch. „Angehörige und Pflegebedürftige lernen, Stürze zu vermeiden und – sollte es doch einmal passieren – wieder hochzukommen.“ Das gibt allen Beteiligten mehr Sicherheit. Immerhin ist ein zentraler Bestandteil der Kinästhetik, das eigene Gewicht in Balance zu halten. Zudem bekommen viele Pflegebedürftige durch den sanften Bewegungsfluss ein besseres Körpergefühl, da sich die Anspannung im Körper reduziert.

    5. Kinästhetik in anderen Lebensbereichen

    Sei es das richtige Sitzen im Büro oder das Heben schwerer Einkäufe – wer die Grundsätze der Kinästhetik verinnerlicht hat, kann sie in vielen Situationen im Alltag anwenden und damit auch langfristig etwas für die eigene Gesunderhaltung tun.

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    Unterstützen Pflegekassen Kinästhetik in der häuslichen Pflege?

    „Nur wenige pflegende Angehörige wissen, dass viele Pflegekassen die Kosten für den Besuch einer Kinästhetik-Trainerin übernehmen“, erzählt Margarete Hirsch. Dies ist möglich im Rahmen des §45 SGB 11, laut dem pflegende Angehörige Anspruch auf Pflegeschulungen haben. Auskunft dazu geben die zuständigen Pflegekassen. „Im häuslichen Umfeld ist das natürlich besonders sinnvoll“, sagt Margarete Hirsch. „Denn wir können so ganz konkret sehen, wo Bedarf zur Anleitung besteht.

    Das kann zum Beispiel beim Waschen und Ankleiden sein, aber auch beim Essen, beim Positionieren oder Atmen. Die Kinästhetik leistet dabei einen wertvollen Beitrag.“ Häufig gehe es darum, kleine Anregungen zu geben, an die man als pflegender Angehöriger erstmal gar nicht denkt. Beispielsweise das Bett zu verschieben, um mehr Platz zum Aufstehen zu schaffen oder Möglichkeiten zum Festhalten anzubringen. „Die Angehörigen sind in der Regel sehr froh, dass jemand Fachkundiges sich die Verhältnisse vor Ort ansieht und die individuellen Fragen dazu beantwortet“, sagt Margarete Hirsch.

    Zudem sei es eine große Entlastung, nicht noch irgendwohin fahren zu müssen, um die etwa 60- bis 90-minütige Schulung zu erhalten. Übrigens: Bei einigen Pflegekassen ist ein Pflegegrad für die Inanspruchnahme der Pflegeschulung nicht zwingend erforderlich. Sie müssen lediglich die Pflegekasse benachrichtigen. Diese vermittelt dann den Kontakt, sodass Sie einen Termin vereinbaren können.

    Kinästhetik-Programm für pflegende Angehörige

    Wer sich tiefer in das Thema „Kinästhetik“ einarbeiten möchte, hat auch die Möglichkeit, einen 21-stündigen Kurs zu besuchen. Auch diese Kosten übernimmt die Pflegekasse. Lediglich 25 Euro für die Kursunterlagen sind von den Teilnehmern zu tragen.

    Weitere Informationen zum Programm „Kinaesthetics Pflegende Angehörige“

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