Eltern mit Kindern, die einen erhöhten Unterstützungsbedarf haben, sammeln im Lauf der Zeit wertvolle Praxiserfahrungen und entwickeln Strategien, um ihren herausfordernden Alltag besser bestreiten zu können. In einem gemeinschaftlichen Projekt arbeiten mehrere Institutionen mit Eltern und Sorgegemeinschaften von Kindern mit erhöhtem Unterstützungsbedarf zusammen, um diese sogenannten „Pflegeschätze“ näher zu untersuchen.
Zum einen werden so die Kompetenzen der am Projekt beteiligten Eltern herausgestellt, zum anderen können Eltern in ähnlichen Situationen von den bereits erprobten Strategien profitieren. Seit Oktober 2023 läuft die Umsetzungsphase des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts „Pflegeschätze“.
Bei dem wissenschaftlich begleiteten Projekt geht es vorrangig darum, die Lebensqualität von Eltern von Kindern mit erhöhtem Unterstützungsbedarf zu verbessern. Das soll unter anderem dadurch erreicht werden, Eltern durch speziell entwickelte Methoden, sogenannte Pflegeschätze (PS)-Methoden, in ihrer Selbstwirksamkeit zu stärken und sich als kompetent anzuerkennen.
Was sind Pflegeschätze?
Als Pflegeschätze werden ganz unterschiedliche Maßnahmen eingeschätzt: Schwimmnudeln, die an Möbeln angebracht werden, um ein sturzgefährdetes Kind vor Verletzung zu schützen oder die speziell genähte Hose für ein Kind, das im Rollstuhl sitzt. Pflegeschätze können auch die Familienorganisation oder Themen der Selbstfürsorge betreffen.
Eltern, die an dem Projekt bereits teilgenommen haben, berichten danach häufig, dass sie von sich selbst überrascht waren, welch gute Ideen sie entwickelt haben, um den Familienalltag zu meistern. Oftmals wurde ihnen durch die Befragung für das Projekt bewusst, wie kompetent und kreativ sie sind, was langfristig die Lebensqualität verbessern kann.
Die „Schatzsuchen“ werden durch Interviews mit den Eltern oder in Workshops, in denen mit co-kreativen Methoden gearbeitet wird, vorgenommen. Auch andere Werkzeuge zum Heben von Pflegeschätzen werden im Projekt entwickelt, getestet und angewendet. Da pflegende Angehörige oft über wenig Zeit verfügen und örtlich gebunden sind, ist eine Teilnahme am Projekt auch online möglich.
Um Pflegeschätze in Workshops zu finden, wurden von der Hochschule München Methoden und Spiele angepasst und weiterentwickelt. Es geht dabei vor allem darum, die pflegenden Angehörigen in einen co-kreativen, lösungsorientierten Austausch zu bringen. Gleichzeitig laufen online Schulungen, um auch andere Interessierte, wie zum Beispiel pflegende Eltern oder Pädagoginnen und Pädagogen, zu Pflegeschatz-Moderatorinnen oder -Moderatoren auszubilden. Viele der Eltern sind bereits in Selbsthilfegruppen oder Vereinen organisiert, sodass sie die neuen Methoden dort einbringen können.
Studie wertet Pflegeschatzsuchen aus
Die Wirkung der Pflegeschatzsuche wird mit Hilfe einer Studie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München untersucht. Mitmachen können alle Eltern oder pflegende Angehörige, die ein Kind mit einem erhöhten Unterstützungsbedarf versorgen, unabhängig davon, ob dieser durch eine körperliche, geistige oder psychische Erkrankung beziehungsweise Behinderung entsteht. Beim Nachweis erwünschter Wirkungen auf die Gesundheit, die Entlastung oder die Lebensqualität der Eltern besteht die Möglichkeit, dass die Pflegeschatzsuche über die Projektlaufzeit hinaus gefördert wird. Die Ergebnisse der Studie können außerdem dazu beitragen, in gesellschaftspolitischen Diskussionen zu argumentieren.
Bis zum Stichtag am 1. Februar 2025 haben 217 Eltern und pflegende Angehörige an der Studie teilgenommen. Allein diese erste Erhebung hat interessante Tendenzen zum Vorschein gebracht:
- 84 % der Teilnehmenden sind Frauen und die Mütter von Kindern mit erhöhtem Unterstützungsbedarf. Etwa die Hälfte von ihnen arbeitet in Teilzeit, etwa 15 % arbeitet in Vollzeit.
- Etwa 70 % der Teilnehmenden geben an, mehr als 35 Stunden pro Woche für die Betreuung ihres Kindes aufzuwenden – das ist fast ein Vollzeit-Job.
- Am meisten belastet die Teilnehmenden (über 80 %) die Bürokratie (z. B. Anträge und Schriftverkehr mit Behörden).
- Umfangreiche Freitextantworten beispielsweise zu Erfahrungen mit Diskriminierung, müssen noch ausgewertet werden.
- Etwa ein Drittel der Befragten gibt an, über 1.000 Euro pro Jahr für die medizinisch-pflegerische Versorgung ihres Kindes aus eigenen Mitteln zu bezahlen.
Teilnehmende gesucht
Eltern und pflegende Angehörige, die sich an der Studie beteiligen möchten, können sich auf der Website www.pflegeschaetze.de informieren und anmelden oder sich direkt beim Pflegeschätze-Team der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München melden:
Prof. Dr. rer. medic. Astrid Herold-Majumdar (Teilprojektleitung)
Britta Darchinger (Mitarbeiterin)
Judith Gebhardt (wissenschaftliche Mitarbeiterin)
E-Mail: pflegeschaetze-fk11@hm.edu
„Pflegeschätze“ ist ein gemeinschaftliches Projekt der TH Köln, der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München, der TU Darmstadt, des Bundesverbandes für körper- und mehrfach behinderte Menschen (bvkm e.V.) und des Sozialwirtschaftsunternehmens „ProLog“. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).