Paul fährt seit mehr als 50 Jahren Auto. Lange Wegstrecken zu Fuß zu bewältigen, fällt ihm schwer. Deshalb weiß er das Verkehrsmittel Auto nun noch mehr zu schätzen als früher. Sebastian, Pauls Sohn, weiß, wie wichtig seinem Vater das Auto ist. Er macht sich jedoch Sorgen, da Paul immer häufiger den Überblick im Straßenverkehr verliert. Sebastian fragt sich, wann und wie er einschreiten soll.
So wie Paul und Sebastian geht es vielen Menschen in einer Pflegesituation. Ein Auto ist das Tor zur Welt – so oder so ähnlich können Pflegebedürftige über ihr Verkehrsmittel denken.
Das Auto als Mittel der Selbstständigkeit
Stellen Sie sich vor, Sie haben körperliche, kognitive oder psychische Einschränkungen. Ihnen fällt es schwer, sich zu bewegen oder Ihren Alltag strukturiert zu organisieren. Ein Auto kann dann dabei helfen, dass Sie trotzdem aktiv am gesellschaftlichen Leben teilhaben. Sie können sich mit Freunden treffen, ohne fremde Hilfe den Arztbesuch wahrnehmen oder kleine Erledigungen machen. Das alles fällt mit anderen Verkehrsmitteln nicht selten schwerer. In ländlichen Regionen fährt der Bus vielleicht nicht regelmäßig. Außerdem muss Ihr Angehöriger zunächst zu Fuß zur Bushaltestelle gelangen und sich dann auch noch mit Busfahrplänen auseinandersetzen. Mit dem Auto ist also vieles leichter.
Pflegebedürftige, die ahnen, dass ihnen ihr wichtiges Verkehrsmittel zukünftig nicht mehr zur Verfügung steht, können gereizt, sogar aggressiv reagieren. Dahinter steckt oftmals die Angst vor einem weiteren Verlust der Selbstständigkeit und Handlungsfähigkeit. Um Ihren Angehörigen bei einer Fahruntauglichkeit zu unterstützen, ist also viel Verständnis wichtig.
3 Schritte, mit denen Sie Ihren Angehörigen bei Fahrunsicherheiten unterstützen
Haben Sie den Eindruck, dass Ihr Familienmitglied nicht mehr sicher am Straßenverkehr teilnehmen kann, ist ein strukturiertes Vorgehen sinnvoll. So vermeiden Sie emotionsgeladene Auseinandersetzungen und ermöglichen trotzdem die Sicherheit für Ihren Angehörigen und übrige Verkehrsteilnehmer.
1. Schritt: Vergewissern Sie sich, ob tatsächlich eine Fahruntüchtigkeit vorliegt
Viele Angehörige vermuten, dass eine Fahruntauglichkeit bei Pflegebedürftigen vorliegt, sind sich aber nicht sicher. In einem ersten Schritt ist es also wichtig, festzustellen, ob Ihr Familienmitglied tatsächlich besser das Auto stehen lassen sollte.
Neben einer Einschätzung vom Hausarzt kann dabei der sogenannte Mobilitätscheck helfen, der vom TÜV NORD und der DEKRA angeboten wird. Hier durchläuft Ihr Angehöriger einen Test, zu dem auch eine leistungspsychologische Untersuchung zählt. Dieser ist freiwillig und die Ergebnisse sind anonym. Verkehrsmediziner und Verkehrspsychologen helfen bei der Einschätzung. Wie wäre es, wenn Sie Ihrem Familienmitglied einen solchen Mobilitätscheck ans Herz legen?
Kommen Pflegebedürftige im Verkehr nicht zurecht, bedeutet das nicht automatisch, dass sie auf die Mobilitätshilfe verzichten müssen. Es gibt eine große Auswahl an Umbaumaßnahmen, die bei körperlichen Einschränkungen hilfreich sind. Womöglich profitiert Ihr Familienmitglied von Pedalaufsätzen – sie verkürzen den herkömmlichen Weg beispielsweise zum Bremspedal. Unter anderem ist auch der Einbau eines Handbremshebels möglich.
2. Schritt: Wägen Sie ab, ob Sie beobachten oder einschreiten
Liegt eine Fahruntauglichkeit vor, schreiten Sie am besten sofort ein. In dem Fall stellt Ihr Familienmitglied womöglich eine Gefahr für sich selbst und andere im Straßenverkehr dar. Es gibt jedoch oftmals die Situation, dass Pflegebedürftige nicht fahruntauglich sind, allerdings erste Unsicherheiten zeigen und Angehörigen Grund zur Besorgnis geben. Jetzt ist es empfehlenswert, Ihr Familienmitglied engmaschig zu beobachten.
Begleiten Sie Ihren Angehörigen zum Arzttermin oder zum Einkauf – nehmen Sie dabei auf dem Beifahrersitz Platz. Stellen Sie mit dem nötigen Fingerspitzengefühl Fragen, wenn Sie Unsicherheiten bemerken: „Gerade ist viel auf der Straße los, fühlst du dich in solchen Situationen unwohl?“ Nehmen die Anzeichen für eine beeinträchtigte Teilnahme am Straßenverkehr zu, können Sie bei Ihrem Angehörigen (erneut) einen Arztbesuch oder den oben erwähnten Mobilitätscheck thematisieren.
3. Schritt: Führen Sie ein Gespräch mit Ihrem Familienmitglied
Das Auto im Alter stehen lassen zu müssen, ist für Menschen oft eine große Überwindung. Viele Personen kommen jedoch im Alter genau zu diesem Entschluss, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Demnach besaßen 77 Prozent der Haushalte mit Haupteinkommenspersonen im Alter von 65 bis 69 Jahren im Jahr 2022 mindestens ein Auto, in der Altersgruppe 80+ waren es hingegen nur noch 65,2 Prozent. Doch nicht alle Personen haben bei Beeinträchtigungen die nötige Einsichtsfähigkeit.
Um Ihren Angehörigen oder Ihre Angehörige auf Gefahren hinzuweisen, führen Sie am besten ein klärendes Gespräch. Berichten Sie von Ihren Beobachtungen und betonen Sie, dass Sie sich Sorgen machen. Geben Sie auch Ihrem Familienmitglied die Möglichkeit, Bedenken zu äußern – vielleicht sorgt sich Ihr Angehöriger ganz konkret, den Anschluss zu Freunden zu verlieren. Bleiben Sie nicht nur bei einem Gespräch, sondern bieten Sie Lösungsmöglichkeiten an. Wie wäre es, wenn Sie Ihr Familienmitglied ab jetzt auf weiten Strecken begleiten oder selbst einen geeigneten Busfahrplan entwerfen? Erkundigen Sie sich auch unbedingt nach lokalen Angeboten wie einem Bürgerbus, der auch Senioren für kleines Geld in die Stadt fährt.
Auto oder kein Auto: Tipps für das klärende Gespräch
Den Schlüssel einfach wegzunehmen oder das Auto zu verkaufen, ist keine gute Idee, denn damit können Sie sich unter Umständen strafbar machen – schließlich handelt es sich bei dem Fahrzeug um das Eigentum Ihres Angehörigen. Maßnahmen sind ohnehin meist wirkungsvoller, wenn Sie auf Einsicht beruhen. Mit unseren Tipps gehen Sie ein klärendes Gespräch überlegt und strukturiert an. Leidet Ihr Angehöriger unter einer Demenz, haben Sie allerdings eine besondere Fürsorgepflicht. Hier können kleine Notlügen („Das Auto ist gerade kaputt“) hilfreich sein. Womöglich ist Ihrem Angehörigen aber auch gar nicht bewusst, dass es Grund zur Sorge gibt. Die schweizerische Beratungsstelle für Unfallverhütung bietet einen umfassenden digitalen Fahrsicherheitscheck an – dieser Onlinetest ersetzt zwar keine ärztliche Einschätzung, kann jedoch Einschränkungen sichtbar machen.

Wie sage ich es meinem Angehörigen?
Haben Sie Sorge, dass Ihr Angehöriger oder Ihre Angehörige besser kein Auto mehr fahren sollte? 8 Tipps für ein klärendes Gespräch.
Mein Angehöriger fährt trotzdem Auto, was kann ich tun?
Sie haben das Gespräch gesucht und Alternativen angeboten, Ihr Familienmitglied steigt aber trotz aller Warnungen ins Auto? In dem Fall können Sie den Hausarzt darüber informieren. Er muss Ihren Angehörigen ohnehin über eine drohende oder eingetretene Fahruntauglichkeit informieren – die Chancen stehen also gut, dass der Mediziner bereits weiß, dass Ihr Familienmitglied nicht fahren darf.
Wie der Arzt mit der Information umgeht, hängt aber vom Einzelfall ab. Er darf nämlich nur unter bestimmten Voraussetzungen seine Schweigepflicht brechen und die Fahrerlaubnisbehörde über die Fahruntauglichkeit in Kenntnis setzen. Der Arzt kann die Information beispielsweise dann weitergeben, wenn Herzrhythmusstörungen mit anfallsartiger Bewusstseinstrübung vorliegen, die das Leben anderer Verkehrsteilnehmer gefährden – wichtig ist hier, dass es sich um eine „gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr“ handelt.
Die informierte Fahrerlaubnisbehörde kann dann ein ärztliches Gutachten verlangen. Sie können aber auch selbst der entsprechenden Behörde oder der Polizei Ihre Bedenken vortragen. Außerdem ist es sinnvoll, die Nachbarn mit einzubeziehen – ein herzlicher Gruß und die Frage, wo es denn hingehen soll, kann Angehörige womöglich zum Umdenken bewegen.