Pflege innerhalb eines gemeinsamen Haushalts wird meist durch den (Ehe-)Partner übernommen und in einem höheren zeitlichen Umfang erbracht. Frauen übernehmen dabei den überwiegenden Anteil der häuslichen Pflege, auch wenn der Anteil der Männer, insbesondere von (Ehe-)Partnern, in den letzten Jahren stark zugenommen hat.
Eine Pflegesituation kann sich sowohl plötzlich, zum Beispiel durch einen Schlaganfall oder eine Fraktur nach einem Sturz, als auch schleichend durch chronische Erkrankungen und Multimorbidität entwickeln. Viele Angehörige berichten, die Übernahme der Pflege als ein „Hineingeratensein“ oder in die „Situation gerutscht zu sein“. Als Hauptmotive werden das Gefühl der Zuneigung einerseits und das Gefühl der Verpflichtung andererseits genannt.
Typologie pflegender (Ehe-)partner
Studien haben gezeigt, dass pflegende Angehörige die empfundene Belastung unterschiedliche wahrnehmen und verschiedene Bewältigungsstrategien anwenden. Bisher wissen wir allerdings nur wenig darüber, wie Belastung und Bewältigung bei pflegenden Ehepartnern zusammenhängen, insbesondere bei geriatrischen Patienten ohne Demenz. In einer aktuellen Studie über (Partner-)pflegende Angehörige, ohne bekannte dementielle Erkrankung, konnten drei Typen von pflegenden Partnern identifiziert werden.
Eine Typologie unterteilt dabei Menschen nach verschiedenen Eigenschaften und Merkmalen. Sie kann sowohl den pflegenden Angehörigen als auch Beratungseinrichtungen helfen, das Erleben der häuslichen Pflegesituation zu verstehen und zu reflektieren. Wichtig zu wissen ist, dass die einzelnen Typen stark zugespitzt sind. Sie selbst können auch Anteile von mehreren Typen bei sich erkennen.
Typ 1: Der fürsorgliche Partner
Der Typus „Der fürsorgliche Partner“ legt den Fokus auf die Beziehung zum Partner. So wer-den zum Beispiel Entscheidungen gemeinsam getroffen und der zu pflegende Partner wird als emotionale Unterstützung wahrgenommen. Häufig ist ein Wir-Gefühl vorhanden und die Pflege selbst wurde aus Gründen der Zuneigung übernommen.
Diese Angehörigen bewältigen die Pflegesituation auch durch Humor, einem Akzeptieren der Situation sowie der Fähigkeit, sich ablenken oder optimistisch in die Zukunft blicken zu können. Die Pflege wird als weniger belastend erlebt. Für diese Gruppe kann es von Bedeutung sein, dass sie eher präventiv vorgeht. So sind pflegende Angehörige dieses Typs für kommende Anforderungen gewappnet, um frühzeitig ihre Belastungsgrenzen erkennen zu können.
Deshalb lautet die Empfehlung: Informieren Sie sich vorzeitig und beschäftigen Sie sich gegebenenfalls mit neu hinzukommenden Routinen oder Maßnahmen.
Typ 2: Der besorgte Manager
Der Typus „Der besorgte Manager“ fühlt sich stärker belastet, insbesondere durch die veränderte Lebenssituation. Positive Aspekte in der Beziehung basieren vor allem auf den gemeinsamen Erinnerungen. Diese Angehörige haben meist Schwierigkeiten, externe Hilfe anzunehmen: Sie versuchen die Situation alleine zu bewältigen. Veränderungen der Alltagsroutine erleben sie als große Herausforderung. Sie sehen sich insbesondere durch bürokratische Hürden belastet.
Die Pflege des Partners selbst bewertet diese Gruppe als etwas Sinnhaftes. Diese Einschätzung trägt dazu bei, die Situation besser zu bewältigen und sorgt für emotionale Entlastung. Das zentrale Anliegen von „besorgten Managern“ liegt darin, die Pflegesituation selbst gestalten zu können.
Aus diesem Grund kann es sinnvoll sein, dass Sie sich frühzeitig mit dem Gedanken auseinandersetzen, externe Hilfen zuzulassen, um auch den Weg zur Selbsthilfe gehen zu können.
Typ 3: Der verzweifelte Überlastete
Angehörige vom Typ „Der verzweifelte Überlastete“ empfinden die größte Belastung. Die Pflege wurde eher aus einem Gefühl der Verpflichtung übernommen. Sie fühlen sich allein gelassen und sehen ihre eigenen Bedürfnisse stark vernachlässigt, was sich auch in einem sozialen Rückzug zeigt.
Diese Gruppe ist von allen drei Gruppen am stärksten von Stress und Belastung betroffen. Die Angehörigen äußern im Bewältigungsverhalten ein ausgeprägteres Selbstbedauern und Resignation, oder es kommt zu Schuldzuweisungen gegenüber sich selbst, dem Partner oder dem Umfeld. Sie sprechen häufiger in der „Ich-Form“.
Für diese Gruppe ist es von zentraler Bedeutung, Freiräume zu schaffen, um eigenen Bedürfnisse nachgehen zu können. Gehören Sie zu diesem Typus, ist es für Sie wichtig, dass Sie sich im Umgang mit Ihren Emotionen und in der Akzeptanz der veränderten Rollen und Beziehungssituation Unterstützung holen.
Was sind Einflussfaktoren auf die Wahrnehmung der Belastung?
Insgesamt zeigt sich, dass unter anderem die folgenden Faktoren das Erleben der Belastung beeinflussen:
- Die Beziehung zum Partner
- Die Motivation zur Übernahme der Pflege
- Die Fähigkeit, Unterstützung anzunehmen
- Ein positives, soziales Umfeld
- Das Erkennen von positiven Aspekten der häuslichen Pflege
Mehr Beratungsstellen mit Know-how für pflegende Angehörige
Mit Blick auf die Beratungsstellen von pflegenden Angehörigen wäre ein umfassendes Verständnis für die häusliche Pflegesituation der Partnerpflege wünschenswert. Hierzu bedarf es neben Fachkompetenz auch Wertschätzung, Empathie, Einfühlungsvermögen und Authentizität.
Angesichts der demografischen Entwicklungen und des Pflegefachkräftemangels gilt es, die häusliche Pflege zu stärken und Belastungen für pflegende Angehörige zu reduzieren. So bräuchte es in allen Sektoren einen Ausbau niederschwelliger Beratungsangebote, um passgenauer Entlastungen für alle pflegenden Angehörigen zu ermöglichen und häusliche Pflegearrangements zu stabilisieren.
4 Tipps für pflegende Angehörige zur Selbsteinschätzung
- Reflektieren Sie Ihre eigene Situation. Was sind Ihre Belastungen? Wichtig ist aber auch zu erkennen, welche positiven Erfahrungen Sie durch die Pflege des Partners gewonnen haben.
- Die FAU Erlangen-Nürnberg hat hierzu eine digitale Angehörigenampel entwickelt, um mit einem Selbsttest sowohl körperliche als auch seelische Belastungen bei sich frühzeitig wahrnehmen zu können.
- Erkennen Sie Ihre eigenen Leistungen in der Pflege an und achten Sie auf Ihr eigenes Wohlbefinden. Nur wenn es Ihnen gut geht, können Sie Ihren Angehörigen gut pflegen und betreuen! Weiterführende Tipps zu Selbstwert und Achtsamkeit.
- Nutzen Sie die mittlerweile vielfältigen Beratungsangebote zum Thema Pflege. Beratungsstellen in Ihrer Nähe finden Sie in der Datenbank Beratung zur Pflege des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP).
Wer mehr zur Situation der pflegenden Angehörigen und Tipps zur Entlastung erhalten möchte, darf sich gerne für die kostenfreie Online-Vorlesung von Prof. Dr. Thomas Gehr „Pflegt die pflegenden Angehörigen“ anmelden. Sie findet am Mittwoch, 8. Mai von 18 Uhr bis etwa 19.30 Uhr im Rahmen der HSD-Ringvorlesung über „Gelingendes Altern“ statt.
Anmeldung unter: https://www.hs-doepfer.de/event/ringvorlesung-gelingendes-altern