Bisher bin ich mit meinen 88 Jahren noch gut alleine klargekommen und hatte keinen Pflegegrad. Aber zuletzt hat sich meine Gesundheit sehr verschlechtert, und vieles geht einfach nicht mehr. Ich habe mich jetzt überwunden, doch einen Pflegegrad zu beantragen. Wie gehe ich dabei vor, um Leistungen zu bekommen?
Für viele Betroffene ist es ein großer Schritt, Hilfe von außen zu suchen und Leistungen der Pflegeversicherung zu beantragen. Oft wirkt auch die damit verbundene Bürokratie abschreckend. Doch wer die Sache angeht und sich die nötige Unterstützung besorgt, kann sich und häufig auch seinen Angehörigen das Leben deutlich erleichtern. Voraussetzung ist, dass man in den vergangenen 10 Jahren mindestens 2 Jahre in die Pflegeversicherung eingezahlt hat oder familienversichert war. Da die Pflegeversicherung in Deutschland seit 1995 Pflicht ist, trifft das so gut wie immer zu.
Schritt 1: Stellen Sie einen Antrag auf Leistungen
Wenn Sie Pflegeleistungen beantragen wollen, verlieren Sie keine Zeit. Denn der Monat der Antragstellung ist entscheidend für den Beginn der Zahlungen. Versicherte können sich einfach an ihre Krankenkasse oder -versicherung wenden, denn dort ist auch die zuständige Pflegekasse beziehungsweise -versicherung angesiedelt.
Zunächst reicht für die Beantragung von Leistungen ein formloses Anschreiben per Brief, E-Mail, Fax oder Telefon. Ich empfehle Ihnen eine schriftliche Form, da diese besser nachweisbar ist. Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, können Sie die Unterlagen auch per Einschreiben versenden. Ein Satz wie „Hiermit beantrage ich Leistungen der Pflegeversicherung“ genügt.
Nach dem formlosen Anschreiben bekommen Sie ein Formular zum Ausfüllen zugeschickt (oft ist dieses auch online verfügbar). Darin wird neben Angaben zur Person nach den gewünschten Leistungen gefragt, zum Beispiel, ob die Pflege durch Angehörige, durch einen Pflegedienst oder in einem Heim geleistet werden soll. Diese Wünsche können später aber auch wieder geändert werden.
Die Pflegeversicherung hat ab Eingang dieser ausgefüllten Antragsunterlagen 25 Tage Zeit, Ihren Antrag zu bearbeiten. Sie prüft dann, ob Sie einen Anspruch auf Leistungen haben und ein Termin für die Pflegegrad-Feststellung vereinbart werden kann.
Ein Sonderfall liegt vor, wenn Sie bei Eintritt der Pflegebedürftigkeit gerade im Krankenhaus oder der Reha sind. Dann stellt der dortige Sozialdienst zusammen mit Ihnen einen Eilantrag auf Leistungen, über den innerhalb weniger Tage entschieden werden muss. Meist wird dann ein vorläufiger Pflegegrad zugeteilt und das häusliche Gutachten später nachgeholt.

Tina Land arbeitet seit 2018 in der Pflegeberatung bei compass. Die gelernte Krankenschwester hat vor ihrer Tätigkeit als Pflegeberaterin zwölf Jahre im Krankenhaus in der Inneren Medizin und auf Intensivstationen sowie im Anschluss in der ambulanten und stationären Pflege sowie im Hospiz gearbeitet. Ihre praktischen Pflege-Erfahrungen und ihr Wissen setzt sie nun ein, um mit Ratsuchenden ihren Hilfebedarf im Rahmen der Beratungsgespräche zu ergründen und individuelle Möglichkeiten der Unterstützung für die jeweiligen Pflegesituationen zu finden.
Schritt 2: Nehmen Sie Pflegeberatung in Anspruch
Das Pflegesystem mit den verschiedenen Leistungen kann recht kompliziert sein. Deshalb sollten Sie unbedingt Ihren gesetzlichen Anspruch auf Pflegeberatung wahrnehmen. Die Pflegeversicherung ist verpflichtet, Ihnen innerhalb von 2 Wochen nach der Antragstellung eine Beratung anzubieten. Meist nennt Sie direkt einen Ansprechpartner, manchmal gibt es einen Gutschein, den Sie bei geeigneten Beratungsstellen einlösen können. Diese finden Sie etwa beim Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP). Für privat Versicherte und ihre An- und Zugehörigen ist die Pflegeberatung compass zuständig. compass bietet außerdem kostenfreie telefonische Pflegeberatung für jeden Ratsuchenden unter der Service-Nummer 0800 – 101 88 00 an.

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Schritt 3: Bereiten Sie sich auf die Pflegegrad-Begutachtung vor
Die Pflegebegutachtung entscheidet darüber, in welchen Pflegegrad Sie eingestuft werden. Dafür beauftragt die Pflegeversicherung bei gesetzlich Versicherten den Medizinischen Dienst, bei privat Versicherten Medicproof. Sie bekommen dann von Ihrem Gutachter oder Ihrer Gutachterin einen Termin für den Hausbesuch genannt. Dieser umfasst ein ausführliches Gespräch, eventuell Tests zu Ihren Fähigkeiten und die Begutachtung der Wohnsituation. Dabei sollte, wenn irgend möglich, auch die Pflegeperson anwesend sein.
In Deutschland gibt es 5 Pflegegrade. Was jeder Pflegegrad bedeutet, erfahren Sie in der nachstehenden Abbildung.

Zur Vorbereitung auf den Gutachtertermin sollten Sie alle wichtigen Unterlagen bereitlegen – zum Beispiel Befunde Ihres Hausarztes und von Fachärzten, Krankenhaus-Entlassungsberichte, den Medikamentenplan sowie eine Liste der benötigten Hilfsmittel. Notieren Sie außerdem am besten vorab – etwa über die Dauer von 1 oder 2 Wochen –, wie viel und welche Unterstützung die pflegebedürftige Person schon benötigt. Relevant ist hier auch, zu welchen Tageszeiten die Unterstützung gebraucht wird.
Die Pflegeberatenden von compass unterstützen Ratsuchende bereits bei der Vorbereitung auf die Begutachtung. Sie geben Hinweise wie die oben genannten und können einzelne Punkte der Antragstellung auf Leistungen detailliert erläutern.
Schritt 4: Etablieren Sie funktionierende Routinen
Ist das Gutachten erstellt und der Bescheid über den Pflegegrad da, muss die Pflege mit den verfügbaren Mitteln praktisch organisiert werden. Welche An- oder Zugehörigen können welche Aufgaben übernehmen? Was soll vielleicht ein Pflegedienst übernehmen? Möchten Sie eine Tagespflege nutzen?
Hier kann wieder Pflegeberatung hilfreich sein: Während dieser können weiterführende Informationen zu Pflegeleistungen vermittelt werden, die mit dem anerkannten Pflegegrad zur Verfügung stehen. Gemeinsam können auf diese Weise individuell die am besten geeigneten Leistungen identifiziert werden, um die Versorgung optimal zu gestalten. Wichtig ist, dass alle Beteiligten langfristig gut mit der Pflegesituation leben können.
