Fachstellen für pflegende Angehörige – Mit Rat und Tat für Angehörige da

Fachstellen für pflegende Angehörige – Mit Rat und Tat für Angehörige da

Fachstellen für pflegende Angehörige gibt es bundesweit. Ihre Aufgaben sind je nach Bundesland unterschiedlich, aber sie verbindet ein gemeinsames Ziel: Angehörige zu unterstützen, sie zu entlasten und auf die wichtige Aufgabe, die sie leisten, öffentlich aufmerksam zu machen.
Fachstellen für pflegende Angehörige wollen unterstützen.
GettyImages/ortra

Es war die Nachbarin, die Christine Krüger (Name durch die Redaktion geändert) auf die Idee brachte, sich bei der Fachstelle für pflegende Angehörige zu melden. Ihr Mann litt an einer frontotemporalen Demenz, einer seltenen Form der Demenz, bei der sich vor allem die Persönlichkeit und das Verhalten der Betroffenen verändern.

Ihr Mann zeigt in der Öffentlichkeit oft ein enthemmtes Verhalten, trank im Biergarten schon mal aus fremden Bierkrügen, bettelte auf der Straße Leute an oder wanderte im Schlafanzug in der Nachbarschaft herum. Die 67-jährige Ehefrau war erschöpft, ratlos und hat sich für das Verhalten ihres Mannes oft geschämt.

Sie suchte die Fachstelle für pflegende Angehörige der Diakonie München und Oberbayern auf und begann, sich mit der Erkrankung ihres Mannes intensiv auseinanderzusetzen. Sie ließ sich beraten, ging regelmäßig in die Angehörigengruppe, nutzte das Angebot eines ehrenamtlichen Demenzhelfers und ließ sich psychotherapeutisch begleiten.

„Durch diese Unterstützung hat sie gelernt, mit dem Krankheitsbild umzugehen. Sie hat aufgehört, sich für ihren Mann zu schämen, und ist offen auf andere Menschen zugegangen, um ihnen zu erklären, warum er sich so verhält“, sagt Angela Danquah, Leitung der Münchner Fachstelle. „Wir haben sie bis zum Tod ihres Mannes begleitet und sie war sehr dankbar, dass sie sich jederzeit bei uns melden kann.“

Begleitung oft über Jahre hinweg

Die Diplompädagogin und Familientherapeutin Angela Danquah arbeitet schon seit 20 Jahren in der Fachstelle für pflegende Angehörige in München und teilt sich dort mit einer Kollegin eine 100-Prozent-Stelle. Viele Angehörige begleiten sie über Jahre hinweg, sodass sich oft ein enges Vertrauensverhältnis entwickelt. „Manche melden sich regelmäßig ein- bis zweimal im Monat, andere rufen uns vor allem in Krisensituationen an“, erzählt die Diplom-Pädagogin.

Sie begleitet zum Beispiel eine pflegende Tochter, die zunächst viele Jahre ihren Vater mit Demenz und nun seit fünf Jahren ihre Mutter pflegt, die zunehmend dement wird. Die Belastung sei immens, aber ein Pflegedienst oder Pflegeheim käme für die Familie nicht infrage.

Das sei ein häufiges Problem: das Versprechen, dass die gepflegte Person niemals ins Pflegeheim muss – wie hoch die Belastung auch ist. „Wir arbeiten sehr intensiv daran, dieses Versprechen, das in guten Zeiten gegeben wird, zu überdenken. Unsere Aufgabe ist es, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die pflegende Person die Pflege nur weiter übernehmen kann, wenn sie für sich selbst sorgt und gesund bleibt“, sagt Angela Danquah.

Fachstellen bieten unterschiedliche Angebote

Um pflegende Angehörige zu unterstützen, bietet die Fachstelle unterschiedliche Angebote an. Angela Danquah berät zum Beispiel, welche Leistungen der Familie über die Pflegeversicherung zustehen, welche Hilfen bei finanziellen Problemen in Anspruch genommen werden können wie Wohngeld oder Grundsicherung oder welche unterstützenden Dienste in der Sterbephase infrage kommen.

Oft führt sie auch Hausbesuche durch, sodass sie sich vor Ort ein gutes Bild von der Pflegesituation verschaffen kann. Wenn erforderlich, übernimmt sie auch die Moderation von Familiengesprächen, zum Beispiel wenn es zu Konflikten kommt.

Einmal pro Monat bietet die Fachstelle eine begleitete Angehörigengruppe an. Die Angehörigen können die Gruppe zunächst in einem Schnuppertreffen kennenlernen und dann entscheiden, ob sie verbindlich an der Gruppe teilnehmen möchten. „Es ist eine vertraute Gruppe, in der sich die Angehörigen auch über persönliche Belastungen austauschen und erzählen können, wenn sie mal an ihre Grenzen geraten“, sagt die Diplom-Pädagogin. „Was in der Gruppe besprochen wird, bleibt auch in der Gruppe.“

Ehrenamtliche sind eine wichtige Entlastung

Eine wichtige Entlastung sind zudem ehrenamtliche Demenzhelferinnen und -helfer, die in die Familie gehen und die Angehörigen stundenweise entlasten. So können diese mal zum Friseur oder ins Café gehen oder sich auch ins eigene Zuhause zurückziehen.

Die Helferinnen werden von der Diakonie geschult und intensiv begleitet. Sie übernehmen keine Pflege, sondern werden ausschließlich in der Betreuung und Beschäftigung eingesetzt. „Die Demenzhelferinnen sind oft die Türöffner für weitere Angebote“, erzählt Angela Danquah. „Läuft das gut, gehen die Angehörigen anschließend oft den nächsten Schritt und probieren zum Beispiel die Tagespflege aus.“

Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer erhalten eine Aufwandsentschädigung für ihre Tätigkeit, die mit der Pflegekasse über den 125- Euro-Entlastungsbetrag abgerechnet werden kann. Die anderen Angebote der Fachstelle – ob Hausbesuche oder Angehörigengruppe – sind kostenfrei. Nur die Schulungen, die in Zusammenarbeit mit der Diakonie erfolgen, gehen mit geringen Kosten einher.

Öffentlichkeitsarbeit und neue Angebote

Insgesamt gibt es in Bayern rund 110 Fachstellen für pflegende Angehörige. Bayern ist damit Vorreiter, was die Anzahl der Fachstellen für pflegende Angehörige angeht. Auch in anderen Bundesländern gibt es solche Anlaufstellen, zum Teil aber mit einem anderen Aufgabenbereich.

Ein Beispiel dafür ist die Fachstelle für pflegende Angehörige in Berlin, die einzige in der Hauptstadt. „Wir haben eher einen strategischen Auftrag und keinen direkten Beratungsauftrag“, sagt Frank Schumann, der die Fachstelle vor elf Jahren aufgebaut hat und mittlerweile ein Team mit vier Leuten hat.

„Natürlich beraten wir auch und navigieren die pflegenden Angehörigen durch das Unterstützungssystem – unser primärer Auftrag ist aber, in der Politik und Öffentlichkeit auf die Situation der pflegenden Angehörigen aufmerksam zu machen, Versorgungslücken zu erkennen und Lösungen zu entwickeln.“

Berlin hat zum Beispiel als erstes Bundesland eine Beratungsstelle für pflegende Kinder und Jugendliche aufgebaut. Auf der Website von “echt unersetzlich” können sich Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene anonym online, aber auch telefonisch und persönlich beraten lassen.

Hoher Bedarf nach Anlaufstellen

Der Bedarf ist da: „Rund 30.000 Berliner Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene kümmern sich um ein krankes Familienmitglied – und das jeden Tag“, sagt Frank Schumann. Auch in vielen anderen Projekten macht sich die Berliner Fachstelle für die Belange der pflegenden Angehörigen stark.

Ein wichtiges Angebot der Fachstelle ist auch die „Woche der pflegenden Angehörigen“, die alle zwei Jahre und in diesem Jahr ab dem 14. Mai bereits zum sechsten Mal stattfindet. „Ein zentrales Ziel dieser Woche ist, die pflegenden Angehörigen und ihre Bedarfe stärker in die Öffentlichkeit zu bringen“, sagt Frank Schumann.

„Pflegende Angehörige haben eine unersetzliche Funktion für die Gesellschaft. Vier von fünf pflegebedürftigen Menschen werden von ihnen zu Hause versorgt, zwei Drittel ohne Unterstützung durch Pflegedienste, auch in den höchsten Pflegegraden. Das muss viel mehr gesehen und öffentlich wertgeschätzt werden.“

Weitere Ziele der Angehörigenwoche: die Selbstachtsamkeit und Gesundheit pflegender Angehöriger zu stärken sowie den Kontakt und Austausch untereinander zu fördern. Dazu gibt es bei der Woche der pflegenden Angehörigen ein buntes Potpourri an Veranstaltungen – vom Kino über Dampferfahrten bis zum Tanzcafé.

Im Roten Rathaus werden ausgewählte pflegende Angehörige geehrt – stellvertretend für alle anderen – und es wird mit Politikerinnen und Politikern diskutiert. Mittlerweile gibt es schon einige andere Bundesländer und Regionen, die ebenfalls eine „Woche für pflegende Angehörige“ organisieren.

Wo finden Angehörige gute Beratung?

Wichtig findet Frank Schumann, dass pflegende Angehörige eine gute unabhängige Beratung erfahren. Doch diese Beratung ist bundesweit sehr unterschiedlich geregelt, da sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fällt. Daher ist es für Angehörige oft nicht leicht, die richtige Anlaufstelle zu finden. In manchen Bundesländern wie Bayern sind vor allen die Fachstellen für pflegende Angehörige dafür zuständig, in anderen wie Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg eher Pflegestützpunkte.

Schuman rät pflegenden Angehörigen, bei den Pflegekassen nachzufragen. Diese müssen eine Liste mit Beratungsstellen vorhalten. Ein gutes Online-Angebot mit Beratungsstellen bietet auch das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) an. Auf der Website können Angehörige ihre Postleitzahl eingeben und nach Beratungsstellen in ihrer Nähe suchen.

Schumanns persönlicher Rat an pflegende Angehörige: „Achten Sie auf sich selbst und Ihre eigenen Bedürfnisse – auch wenn es schwerfällt. Viele sagen mir: Als ich angefangen habe, mich um mich selbst mehr zu kümmern, fiel mir auch die Pflege leichter.“